Ukraine-Krieg:USA stocken Hilfe für Kiew auf

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"Entscheidend dazu beitragen, dass die Ukraine nicht nur ihre Nation, sondern auch die Demokratie für die Welt verteidigt": Nancy Pelosi erläuterte die weiteren Hilfen für Kiew. (Foto: Ting Shen/IMAGO/ZUMA Wire)

Das Repräsentantenhaus stimmt einem 40-Milliarden-Dollar-Paket bereits zu. Es sieht auch Hilfe für Länder vor, denen durch den Konflikt eine Hungerkrise droht.

Das Repräsentantenhaus in Washington hat ein von US-Präsident Joe Biden beantragtes Hilfspaket für die Ukraine aufgestockt und mit großer Mehrheit verabschiedet. In der Parlamentskammer stimmten am Dienstagabend (Ortszeit) 368 Abgeordnete sowohl von Bidens Demokraten als auch der oppositionellen Republikaner für den Gesetzesentwurf. Die 57 Gegenstimmen kamen von Republikanern. Das Paket umfasst fast 40 Milliarden Dollar. Es werde "entscheidend dazu beitragen, dass die Ukraine nicht nur ihre Nation, sondern auch die Demokratie für die Welt verteidigt", hieß es in einem Schreiben der Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi. Der Senat muss noch zustimmen.

Biden hatte den Kongress um 33 Milliarden Dollar gebeten. In dem nun aufgestockten Paket entfällt rund die Hälfte der Gesamtsumme auf den Verteidigungsbereich. Davon sind sechs Milliarden Dollar für direkte militärische Hilfe für die Ukraine vorgesehen. Weitere Milliardenbeträge sind unter anderem dafür geplant, US-Lagerbestände mit militärischer Ausrüstung aufzufüllen, die an die Ukraine geschickt wurde. Auch sind Mittel vorgesehen für humanitäre Hilfe für Ukraine-Flüchtlinge und für Menschen weltweit, die infolge des russischen Angriffskriegs Hunger leiden. Seit Kriegsbeginn haben die USA bereits Waffen und Munition im Wert von mehr als 3,7 Milliarden Dollar zugesagt oder schon geliefert.

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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat am Mittwoch erneut mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij gesprochen. Wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit mitteilte, informierte sich Scholz in dem Telefonat über den Verhandlungsprozess zwischen der Ukraine und Russland zur Beendigung des Krieges und die aktuelle Lage. Die beiden Politiker tauschten sich demnach auch über "ganz konkrete, praktische Möglichkeiten der weiteren Unterstützung der Ukraine aus und verabredeten, weiterhin eng in Kontakt zu bleiben". Selenskij schrieb auf Twitter, er habe mit Scholz über Defensivhilfe, Kooperation im Energiesektor und schärfere Sanktionen gegen Russland gesprochen. Er lobte den Dialog zwischen beiden Ländern.

Die US-Geheimdienstkoordinatorin Avril Haines hatte zuvor die Einschätzung geäußert, ein eventueller russischer Erfolg im Donbass würde wahrscheinlich nicht das Ende von Russlands Krieg gegen die Ukraine bedeuten. Der russische Präsident Wladimir Putin bereite sich auf einen längeren Konflikt in der Ukraine vor, in dessen Verlauf er immer noch beabsichtige, Ziele zu erreichen, die über die Ostukraine hinausgingen, sagte Haines bei einer Anhörung des Senats in Washington.

Guterres: Friedensgespräche nicht in Sicht

Nach Ansicht von UN-Generalsekretär António Guterres wird es in absehbarer Zeit nicht zu Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine kommen. Der Krieg werde nicht ewig dauern, und irgendwann werde es zu Friedensverhandlungen kommen, diesen Zeitpunkt sehe er aber nicht "in unmittelbarer Zukunft", sagte Guterres in Wien bei einem Auftritt mit Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Die diplomatischen Bemühungen konzentrierten sich derzeit darauf, die Bedingungen für Fluchtkorridore und Hilfslieferungen für die Zivilbevölkerung zu verbessern.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Einladung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zum G20-Gipfel nach Indonesien begrüßt. "Das ist ein ganz, ganz wichtiges Zeichen", sagte der SPD-Politiker am Mittwoch nach einem Gespräch mit dem argentinischen Präsidenten Alberto Fernández in Berlin. Das zeige, dass die Debatte über die Zukunft der Staatengruppe weltweit führender Wirtschaftsmächte nicht vom Ukraine-Krieg unberührt bleiben könne. Russlands Präsident Wladimir Putin hat seine Teilnahme an dem für November auf der indonesischen Insel Bali geplanten Gipfel nach Angaben der Gastgeber bereits zugesagt.

In der Ukraine selbst befinden sich im belagerten Stahlwerk von Mariupol der Stadtverwaltung zufolge noch mindestens 100 Zivilisten. Die russischen Angriffe auf das Azovstal-Werk gingen dessen ungeachtet weiter, teilte ein Mitarbeiter des Bürgermeisters auf Telegram mit. Dagegen gehen die prorussischen Separatisten in der Donzek-Region davon aus, dass keine Zivilisten mehr in dem Stahlwerk Schutz suchen. "Deshalb sind die Hände unserer Einheiten nicht länger gebunden", sagte der Anführer der selbst ernannten Volksrepublik Donezk, Denis Puschilin, der russischen Agentur Tass zufolge.

Mit einem pseudojuristischen Akt will im Süden der Ukraine die Verwaltung der unter russischer Besatzung stehenden Verwaltung der Region Cherson ein formelles Beitrittsgesuch an Moskau richten. "Die Stadt Cherson - das ist Russland", sagte der prorussische Vizechef der Militär- und Zivilverwaltung, Kirill Stremoussow, am Mittwoch der staatlichen Agentur Ria Novosti zufolge. Es werde in Cherson weder eine Volksrepublik, noch ein Referendum zum Beitritt geben. Seine Verwaltung werde direkt Kremlchef Wladimir Putin bitten, "das Gebiet Cherson als vollwertiges Subjekt in den Bestand Russlands zu überführen". Den Verzicht auf das Referendum begründete er damit, dass ein Volksentscheid auf der von Russland 2014 annektierten Krim international nicht anerkannt wurde. Zuvor schon hatte die prorussische Verwaltung des Gebiets die Ausgabe russischer Pässe an die Bewohner angekündigt. Der russische Rubel gilt in Cherson seit dem 1. Mai als offizielles Zahlungsmittel.

Kämpfe um die Schlangeninsel halten an

Im Kreml wurde die Initiative aus Cherson zurückhaltend aufgenommen. "Zweifellos sollten die Bewohner der Region Cherson darüber entscheiden, ob sie so eine Bitte äußern oder nicht", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Zudem müsse solch ein Beitritt juristisch abgesichert werden. Die Krim war 2014 nach einem Referendum zum Teil Russlands erklärt worden.

Vom Kriegsverlauf berichtete die ukrainische Seite, ihre Truppen hätten einige Orte in der Umgebung der heftig umkämpften Großstadt Charkiw im Nordosten zurückerobert. Regionsgouverneur Oleg Synegubov teilte aber per Telegram mit, die russischen Einheiten hätten "tödliche Fallen" zurückgelassen, die Menschen sollten in den Schutzräumen bleiben und noch nicht in die befreiten Orte zurückkehren. Auch die Kämpfe um die strategische Schlangeninsel im Schwarzen Meer dauern laut britischem Verteidigungsministerium an. Russland versuche, seine Truppen auf der Insel zu verstärken. Festige es seine Position dort mit Luftabwehr und Marschflugkörpern, könnte es das nordwestliche Schwarze Meer beherrschen.

Unterdessen berichteten die russischen Regionen Belgorod und Kursk nahe der ukrainischen Grenze von weiteren angeblichen Angriffen aus dem Nachbarland. Der Gouverneur des Gebiets Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow, teilte am Mittwochabend über Telegram mit, dass beim Beschuss des Dorfes Solochi ein Mensch getötet und drei weitere Einwohner verletzt worden seien. Die Angaben waren nicht von unabhängiger Seite überprüfbar.

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