Kosovo:Vom Nachwuchsstar zur Präsidentin

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Sieg im dritten Wahlgang: Vjosa Osmani wurde am 4. April zur Präsidentin der Republik Kosovo gewählt. (Foto: Armend Nimani/AFP)

Die 38-jährige Juristin Vjosa Osmani bekleidet das erste Amt in Kosovo. Nun soll sie Korruption und Arbeitslosigkeit bekämpfen.

Von Florian Hassel, Belgrad

Studierende und erfolgreiche Judokämpfer empfangen, mit dem Gesundheitsminister ein Covid-Impfzentrum besichtigen, den Antrittsbesuch des Generals der kosovarischen Sicherheitskräfte absolvieren - schon am Tag ihres Amtsantritts als Präsidentin der Republik Kosovo am Dienstag drängen sich im Kalender von Vjosa Osmani die Termine. Dabei stand bis zum vergangenen Sonntag nicht einmal fest, ob die Politikerin und Rechtsprofessorin tatsächlich zur Staatschefin gewählt und damit eine seit Monaten schwelende politische Krise beendet werden würde.

Vjosa Osmani, 38 Jahre jung, hat sich mehrfach profiliert. Schon in ihren Teenagertagen als Nachwuchsstar der turbulenten Politik von Kosovo, später als brillante Studentin in Pristina, als Doktorandin an der Universität Pittsburgh in den USA, als Juraprofessorin in Pristina.

Sie ist die wohl erfolgreichste Politikerin im Land. Noch während sie an ihrer Doktorarbeit feilte, war sie Stabschefin und juristische Beraterin des damaligen Präsidenten Fatmir Sejdiu, sie entwarf die kosovarische Verfassung mit. 2009 vertrat sie Kosovo erfolgreich vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Das Gericht entschied 2010, dass die Unabhängigkeitserklärung der Republik Kosovo von Serbien am 17. Februar 2008 weder gegen internationales Recht noch gegen UN-Resolutionen verstoßen habe. Verheiratet ist Osmani mit dem kosovarischen Karrierediplomaten Prindon Sadriu, das Paar hat zwei Töchter.

Als Politikerin wurde Osmani im Parlament so populär, dass ihre damalige Partei LDK sie 2019 bei einer Parlamentswahl als Spitzenkandidatin und mögliche Ministerpräsidentin nominierte. Osmani verlor aber knapp gegen Albin Kurti, den Chef der linksnationalistischen Vetëvendosje-Partei ("Selbstbestimmung"). Doch im Februar 2020 wurde sie Parlamentspräsidentin und übernahm als solche im November auch die kommissarische Präsidentschaft von Kosovo, nachdem Hashim Thaçi in Den Haag wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen angeklagt worden war und von dem Amt zurücktrat.

Bei der Parlamentswahl in diesem Februar trat Osmani mit einer eigenen Bewegung in einer Koalition mit Kurti auf der Liste seiner Reformpartei an. Sie erreichte mit mehr als 300 000 Stimmen das beste individuelle Wahlergebnis in der kosovarischen Geschichte. Kurtis Partei bestimmt seitdem mit 58 eigenen Abgeordneten und der Unterstützung einiger anderer der insgesamt 120 Parlamentarier die Politik. Ein Drittel der neuen Abgeordneten sind Frauen - im männerdominierten Kosovo ist das ebenso neu wie die sechs Ministerinnen in Kurtis 15-köpfigem Kabinett.

Serbien soll sich entschuldigen, fordert Osmani

Dass seine Verbündete Osmani auch noch zur Präsidentin gewählt würde, stand indes wochenlang infrage. Die Opposition weigerte sich, nach den Ämtern des Minister- und des Parlamentspräsidenten auch noch die Staatspräsidentschaft dem Kurti-Lager zu überlassen - eine in der kurzen kosovarischen Geschichte noch nie dagewesene Machtfülle. Als das Parlament am vergangenen Samstag zur Präsidentenwahl zusammentrat, scheiterte diese, weil mehrere Oppositionsparteien die Sitzung boykottierten.

Am Sonntag jedoch stimmten neben einigen Abgeordneten ihrer früheren Partei LDK auch Parlamentarier kosovarischer Minderheiten für Osmani. Obwohl führende Oppositionspolitiker auch ihre Vereidigung boykottierten, beendet Osmanis Wahl eine politische Krise: Hätte Kosovo am 5. Mai noch ohne Präsident oder Präsidentin dagestanden, hätte das Parlament aufgelöst werden müssen, und die 1,9 Millionen Kosovaren müssten schon wieder ein neues wählen.

Auf dem siegreichen Duo Kurti und Osmani lasten nun hohe Erwartungen: Sie sollen schnell mehr Impfstoffe beschaffen, die grassierende Korruption bekämpfen und endlich dafür sorgen, dass Investitionen in Wirtschaft und Arbeitsplätze die massive Auswanderung bremsen, auch die nach Deutschland.

Europa hingegen ist vor allem an einer Aussöhnung mit dem Erzfeind Serbien interessiert. "Dialog ist der Weg nach vorne", sagte Osmani in ihrer ersten Rede als Präsidentin - und schränkte zugleich ein: "Der Dialog sollte gerecht und gleich sein. Der Friede kann nur erreicht werden, wenn Serbien sich für seine in Kosovo begangenen Kriegsverbrechen entschuldigt."

Aber das ist derzeit unwahrscheinlich. Das von Präsident Aleksandar Vučić regierte Serbien geht den dunklen Seiten seiner Geschichte kaum nach. In einer Rede zum Jahrestag des Beginns der Nato-Bombenangriffe 1999 auf Serbien gedachte Vučić im März der serbischen Opfer, überging aber die serbischen Verbrechen. Kosovo als unabhängige Republik anzuerkennen, schloss Vučić erneut aus.

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