sueddeutsche.de: Was wäre denn eine konservative Forderung, die diesen Ansprüchen genügt?
Mißfelder: Ich finde, und das haben wir in Nordrhein-Westfalen teilweise auch etabliert, es soll kein Kind mehr eingeschult werden, wenn es nicht Deutsch sprechen kann. Aber es geht auch darum, dass wir uns offensiv mit dem islamistischen Fundamentalismus auseinandersetzen. Wenn ich mir die Islamkonferenz anschaue, frage ich mich schon: War es der richtige Weg, mit wirklich allen Gruppen zu sprechen? Der Islamrat...
sueddeutsche.de: ... dem islamistische Tendenzen vorgeworfen werden...
Mißfelder: ... ist jetzt ausgestiegen. Aber doch nicht, weil wir ihn mit den Vorwürfen konfrontiert hätten. Da sind die Ängste in unserer Wählerschaft zu Recht sehr groß.
sueddeutsche.de: In seinem Wahlkampf 2008 hat Roland Koch die Kriminalität ausländischer Jugendlicher thematisiert. Punkten konnte er damit nicht. Ist das das Dilemma der Union, dass ihr der Spagat nicht mehr gelingt zwischen progressiver Familienpolitik und restriktiver Integrationspolitik?
Mißfelder: Diese Frage ist eine zentrale Herausforderung für die Union als Volkspartei. Wir müssen sozial ausgewogen und ordnungspolitisch vernünftig sein. Wir müssen weltoffen sein und zugleich ein klares Bekenntnis zur deutschen Leitkultur ablegen. Das müssen wir glaubwürdig vertreten. Es gab Beispiele, bei denen das in die eine Richtung nicht geklappt hat. Und es gab Beispiele wie die Bundestagswahl oder die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, bei denen wir Verluste hinnehmen mussten, weil wir zu einseitig in die andere Richtung gegangen sind.
sueddeutsche.de: Glauben Sie noch an Wahlergebnisse für die Union jenseits von 40 Prozent?
Mißfelder: Ja, aber das hängt vor allem davon ab, ob wir unsere Stammwähler und die Wechselwähler mobilisieren können. In Nordrhein-Westfalen ist uns das jedenfalls nicht gelungen. Wenn wir es dann zugleich schaffen, die Anhänger des politischen Gegners zu demobilisieren, sind wir ein Stück weiter.
sueddeutsche.de: Bei der Bundestagwahl lag der Erfolg von Angela Merkel vor allem darin, die SPD-Wähler davon abzuhalten, wählen zu gehen. Hinterher haben sich alle Politiker hingestellt und erklärt, wie furchtbar es sei, dass die Wahlbeteiligung so niedrig ist. Kann das dauerhaft ernsthaft eine Strategie der Union sein?
Mißfelder: Parteien müssen strategisch denken. Aber für die Demokratie ist das natürlich auf Dauer ein schwieriger Weg. Am besten ist deswegen ein überzeugendes Programm verbunden mit profilierten Köpfen.
sueddeutsche.de: Ist Angela Merkel die Richtige dafür, den Konservatismus in der Union wieder zu integrieren? Oder wäre es besser darauf zu warten, dass sie die Bundestagswahl 2013 verliert, damit andere das Ruder übernehmen können?
Mißfelder: Angela Merkel ist die unumstrittene Nummer eins der Union. Die Partei ist auf sie zugeschnitten, wir unterstützen sie in ihrem Weg. Sie ist ein großes Pfund, auch weil ihre Popularität ungeachtet der schlechten Werte für die Regierung sehr hoch ist. Es waren Angela Merkel und Karl-Theodor zu Guttenberg, die uns bei der Bundestagswahl diesen Vorsprung überhaupt erst verschafft haben.