Konflikte:EU-Außenbeauftragte plant neue Nordkorea-Sanktionen

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Die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini. Ihrer Ansicht nach kann „zusätzlicher wirtschaftlicher und diplomatischer Druck etwas bewirken“. (Foto: Geert Vanden Wijngaert/AP/Archiv)

Tallinn (dpa) - Nach dem jüngsten nordkoreanischen Atomtest plant die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini eine Verschärfung der europäischen Wirtschaftssanktionen gegen das Land.

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Tallinn (dpa) - Nach dem jüngsten nordkoreanischen Atomtest plant die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini eine Verschärfung der europäischen Wirtschaftssanktionen gegen das Land.

„Wir glauben, dass zusätzlicher wirtschaftlicher und diplomatischer Druck etwas bewirken kann“, sagte die Italienerin am Rande eines EU-Ministertreffens in der estnischen Hauptstadt Tallinn.

Nach Angaben von Diplomaten sollen die neuen Sanktionen darauf abzielen, die Devisenbeschaffung für Nordkorea weiter zu erschweren. Sie könnten zum Beispiel nordkoreanische Gastarbeiter und Schiffseigner treffen. Zudem wird erwogen, weitere Mitglieder der Führungsriege Nordkoreas auf die Liste derjenigen Personen zu setzen, die nicht mehr in die EU reisen dürfen und von denen in der EU vorhandene Vermögen eingefroren werden müssen. Staatschef Kim Jong Un steht zum Beispiel noch nicht auf der Liste.

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) äußerte seine Zustimmung zu den Plänen. „Nach unserer Auffassung darf Europa es nicht mehr zulassen, dass koreanische Schiffe oder Schiffe in Eigentümerschaft Koreas Häfen bei uns anlaufen, dass wir Arbeitsplätze bieten“, erklärte er.

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte, es sei zu begrüßen, dass Mogherini eine eigenständige Rolle der EU bei der Konfliktlösung sehe. „Meines Erachtens hat die Europäische Union Möglichkeiten, den Prozess nach vorne zu bringen“, sagte sie. Die EU könne zum Beispiel ihren Erfahrungsschatz aus den Atomverhandlungen mit dem Iran einbringen.

Die USA wollen als Reaktion auf den weltweit verurteilten Atomtest Nordkoreas das kommunistische Land mit einem Öl-Embargo belegen und die Vermögen von Machthaber Kim Jong Un einfrieren. Das geht einem Resolutionsentwurf hervor, den die USA bei den Vereinten Nationen vorlegten. Von den anderen Sicherheitsratsmitgliedern gab es zunächst keinen Kommentar zu dem Entwurf, der der Deutschen Presse-Agentur vorlag.

Alle UN-Mitglieder sollen die „direkte oder indirekte Belieferung (Nordkoreas), Verkauf oder Transfer von Rohöl, Kondensaten, veredelten Petroleumprodukten und Gas verbieten“, heißt es darin weiter. Zudem solle Nordkorea daran gehindert werden, Textilien zu exportieren. Darüber hinaus soll verboten werden, nordkoreanische Arbeitskräfte im Ausland anzustellen, was dem isolierten Land wichtige Devisen bringt. Mehrere Menschen, darunter auch Kim Jong Un, sollten zudem mit einem Reiseverbot belegt werden.

Der Entwurf wurde den anderen Mitgliedern des Sicherheitsrats vorgelegt. Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, hatte zuvor mit „größtmöglichen Sanktionen“ gedroht. Die USA werfen Kim Jong Un vor, einen Krieg provozieren zu wollen. Nach eigenen Angaben hat Nordkorea am Sonntag eine Wasserstoffbombe getestet, mit der eine Langstreckenraketen bestückt werden kann. Es war der sechste und bisher größte Atomtest Nordkoreas seit 2006.

Der russische Präsident Wladimir Putin hat die USA davor gewarnt, sich von Nordkorea provozieren zu lassen. „Alles, was derzeit passiert, ist natürlich eine Provokation“, sagte Putin in der Stadt Wladiwostok im Fernen Osten. Die nordkoreanische Führung sei nicht dumm: Sie rechne auf eine bestimmte Reaktion und erziele sie auch. „Warum machen sie da mit?“, fragte der Kremlchef in Richtung Washington.

Beim Fernöstlichen Wirtschaftsforum in der Stadt am Pazifik forderte Putin erneut eine Verhandlungslösung für den Streit über Nordkoreas atomare Bewaffnung.

Putin sagte, er hoffe, dass auch die USA an einer Entspannung der Lage im Nordosten Asiens interessiert seien. Mit gesundem Menschenverstand auf allen Seiten lasse sich das Problem lösen, sagte er Agenturberichten zufolge. Auch der südkoreanische Präsident Moon Jae In sprach sich für eine friedliche Lösung aus, forderte aber strengere Sanktionen.

Der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping mahnte in einem Telefonat mit US-Präsident Donald Trump nachdrücklich eine friedliche Lösung des Konflikts an. China „besteht darauf“, dass die Atomfrage durch Verhandlungen gelöst werde, gab die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua den Präsidenten wieder. Dialog „kombiniert mit einem Paket umfassender Maßnahmen“ sei der beste Weg für eine langfristige Lösung. Es müsse auf eine friedliche Beilegung hinauslaufen.

Trump sagte nach dem Telefonat, eine militärische Lösung sei „sicherlich nicht unsere erste Wahl“. „Aber wir werden sehen, was passiert.“ Das Gespräch mit Xi bezeichnete er als sehr freimütig und sehr stark. Sie stimmten in Sachen Nordkorea zu 100 Prozent überein. Unter Bezug auf Nordkoreas Raketen- und Atomprogramm sagte Trump: Er (Xi) möchte auch nicht, dass das passiert, was dort passiert. Trump sagte: Präsident Xi würde gerne irgendetwas machen. Wir werden sehen, ob er es tun kann oder nicht.

US-Präsident Donald Trump sieht eine militärische Option im Konflikt mit Nordkorea nicht als unausweichlich an. Eine andere Lösung sei besser, sagte Trump am Donnerstag im Weißen Haus. „Ich würde es bevorzugen, nicht den militärischen Weg zu gehen. Aber das ist sicher etwas, was passieren könnte“, sagte Trump. Man müsse jetzt auf die Details schauen. 25 Jahre „reden, reden, reden“ hätten in dem Streit über eine atomare Bewaffnung Nordkoreas nichts gebracht. „Nordkorea benimmt sich schlecht, und es muss damit aufhören“, sagte Trump.

Das amerikanische Militär sei das stärkste überhaupt und habe „wunderschöne“ Waffen, sagte Trump. „Wenn wir sie jemals gegen Nordkorea einsetzen müssen, wird das ein trauriger Tag für Nordkorea.“ Trump sagte, er wolle seine Verhandlungsposition in diesem Konflikt nicht öffentlich machen.

Erst Anfang August hatte der Sicherheitsrat die bislang schärfsten Sanktionen verhängt, unter anderem Ausfuhrverbote auf Kohle, Eisen, Eisenerz, Blei, Bleierz sowie Fisch und Meeresfrüchte. Damit soll schon ein Drittel der nordkoreanischen Exporte in Höhe von bisher drei Milliarden US-Dollar getroffen werden.

Trotz der Bedrohung durch Nordkorea regt sich in Südkorea weiter Widerstand gegen die Aufstellung eines Raketenabwehrsystems. Hunderte von Demonstranten hätten versucht, die Zufahrt zum Stützpunkt des Systems in der östlichen Provinz Nord-Gyeongsangzu zu blockieren, berichteten südkoreanische Sender heute. Rund 8000 Polizisten waren im Einsatz, um die Straße zu räumen. Bei Zusammenstößen seien Dutzende von Menschen verletzt worden. 

Nach Angaben des Verteidigungsministeriums wurden trotz der Proteste vier weitere Raketenwerfer des Systems THAAD auf dem Stützpunkt erfolgreich installiert. Die „vorläufige“ Aufstellung sei Teil der Maßnahmen, die Südkoreaner besser gegen die „Bedrohungen durch Nordkoreas Raketen“ zu schützen. Die Stationierung geht auf eine Einigung Seouls und Washingtons zurück. Widerstand regt sich nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch in Peking und Moskau, die ihre Sicherheitsinteressen durch das neue Abwehrsystem bedroht sehen.

Angesichts der heftiger werdenden Drohungen Nordkoreas erwägt die australische Regierung, ihre Bürger von der koreanischen Halbinsel und der Region in Sicherheit zu bringen. Alle Australier in Südkorea, Japan und China sollten sich beim Außenministerium registrieren lassen, da die Kriegsgefahr derzeit die größte seit dem Koreakrieg vor mehr als 60 Jahren sei, sagte der australische Premierminister Malcolm Turnbull dem TV-Sender Channel 9. In Südkorea, Japan und China befinden sich geschätzt 200.000 Australier.

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