Greifswald:Wildschweine in Greifswald: „Kennen Straßenverkehrsordnung“

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Wildschweine stehen in einem Wildgehege im Schnee. (Foto: Franziska Kraufmann/dpa/Symbolbild)

Wildschweine fühlen sich in Greifswald immer wohler. Ihr offenes Auftreten sorgt nicht nur in sozialen Netzwerken im Internet für Aufmerksamkeit, sondern...

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Greifswald (dpa/mv) - Wildschweine fühlen sich in Greifswald immer wohler. Ihr offenes Auftreten sorgt nicht nur in sozialen Netzwerken im Internet für Aufmerksamkeit, sondern bereitet der Stadt zunehmend Sorge. Denn beim Wühlen richten die Tiere Schäden an. Menschen fühlen sich bedroht.

„Die Wildschweine in Greifswald, die kennen die Straßenverkehrsordnung“, sagte Wildtiermanager Heiko Gust am Freitag. Sie wüssten ganz genau, wo sie sind, wohin sie flüchten können und wo sie an Nahrung kommen. Zudem verlieren die Tiere laut Gust im Stadtgebiet ihre Scheu. Sie merkten, dass sie hier nicht wie im Umland gejagt werden.

Im Greifswalder Stadtgebiet halten sich nach Schätzungen der Stadt derzeit 70 bis 80 Wildschweine auf. Man habe im Innenstadtbereich acht „Hotspots“, wo Bachen, also weibliche Wildschweine, Frischlinge bekommen hätten, sagte Gust. Das sei vor allem im Stadtteil Eldena zu beobachten. Immer wieder sperren die Stadt oder betroffene Einrichtungen Bereiche und hängen Warnschilder auf wie vor kurzem an einem Weg in Eldena. Aber: Innerhalb kürzester Zeit seien die Schilder gestohlen worden, berichtete Gust.

„Dieses Verhalten kann ich nicht nachvollziehen. Bewusst Warnschilder zu entfernen, kann andere Menschen in Gefahr bringen“, kritisierte Oberbürgermeister Stefan Fassbinder (Grüne). Zudem fütterten die Menschen die Schweine, was das Problem verschärfe. Dabei gebe es ohnehin schon ein reichliches Nahrungsangebot - etwa auf Komposthaufen. Seit Freitag gilt in Greifswald Wildschweinfütterungsverbot. Damit kann auch das Auslegen von Futter- oder Lebensmittel, die erfahrungsgemäß von Wildschweinen aufgenommen werden, mit einer Geldbuße geahndet werden.

Wildtiermanager Gust ist nach eigenen Angaben teilweise bis spät in die Nacht mit Wärmebildkamera unterwegs, auf der Suche nach den Tieren. Er versucht, sie mit speziellen Geruchsmitteln oder seiner bloßen Präsenz zu stören. Man könne nur mit einem Bündel von Maßnahmen vorgehen. Die Tiere müssten sich gestörter fühlen, weniger Schutz und weniger Nahrung finden.

„Es ist nicht einfach und es ist langwierig“, sagte auch Fassbinder. Selbst wenn man alle Tiere aus der Stadt bekäme, warteten im Umland schon die nächsten. Die Stadt erreichten Nachrichten von teilweise ungehaltenen Menschen, die forderten, die Tiere abzuschießen. „Jeder, der sich mit dem Thema Schießen in der Stadt mal beschäftig hat, weiß, es ist praktisch unmöglich“, sagte Fassbinder.

Auch in anderen Städten des Landes und deutschlandweit kommen die Tiere dem Menschen immer näher. Ein Grund ist auch die wachsende Wildschwein-Population. Laut Landwirtschaftsministerium des Landes nimmt diese teilweise um 300 Prozent pro Jahr zu. Gründe sind ein reichliches Angebot an Nahrung und Deckung etwa in Raps- und Maisfeldern, aber auch milde Winter.

Birte Brechlin vom Naturschutzbund Deutschland forderte: „Um die Ursachen der vermehrten Wildschweinzahlen entgegenzuwirken, brauchen wir eine modernere, also naturnähere Landwirtschaft. Da muss die Politik endlich aufwachen!“ Auch die Bejagung sei weiterhin notwendig. „Generell müssen wir uns aber damit abfinden, dass es Wildschweine in unseren Städten gibt und geben wird und uns darauf einstellen.“ Auch Oberbürgermeister Fassbinder sagte mit Blick auf die Population in seiner Stadt: „Null wird's nie geben.“

© dpa-infocom, dpa:210219-99-512847/3

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