Open-Skies-Vertrag:Trump kündigt Abkommen lieber auf, als sie zu verbessern

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Porträts von Donald Trump in einem Café im Moskauer Zentrum (Symbolbild) (Foto: Hans Lucas/imago images)

Der Ost-West-Konflikt wurde durch Verträge entschärft, die Vertrauen schaffen sollten. Nun steht diese Ära vor dem Ende - auch wegen Russland und China.

Kommentar von Kurt Kister

Wieder einmal hat die Regierung Trump den Austritt der USA aus einem internationalen Vertrag angekündigt. Diesmal geht es um das sogenannte Open-Skies-Abkommen, das 1992 geschlossen wurde und 2002 in Kraft trat. Im Prinzip besagt es, dass Staaten der Nato und des früheren Warschauer Pakts über den Territorien der jeweils anderen Seite Aufklärungsflüge nach bestimmten Regeln veranstalten dürfen.

Zwar sind in der Ära weltumspannender Satellitennetze Aufklärungsmissionen mit Flugzeugen nicht mehr von so großer Bedeutung, wie sie es zu den Hochzeiten des Kalten Krieges waren. Man denke nur an die gefährliche Krise, als die Sowjetunion 1960 einen U2-Höhenaufklärer der CIA über Swerdlowsk abschoss. Aber dennoch ist der Open-Skies-Vertrag ein wichtiger Teil der gegenwärtigen Weltordnung. Leider ist diese Ordnung durch den neuen Imperialismus von Staaten wie China und Russland, aber auch durch den aggressiven Isolationismus der USA in großer Gefahr.

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Der Kalte Krieg, diesen Konsens gab es einmal, sollte abgelöst werden durch eine Fülle internationaler Abkommen. Deren erste wurden schon in den Siebzigerjahren ausgehandelt, sie hatten zumeist Atomwaffen und Trägersysteme zum Gegenstand. Man kam zu der Auffassung, dass schrittweise Abrüstung nur mit größerem Vertrauen zwischen Ost und West zu erreichen wäre, und dass die Verträge einen geregelten Kontrollmechanismus brauchten. Es entstand ein komplexes Gedankengebäude, ein Konzept für die internationale Politik, das lange zur relativen Stabilität zwischen den atomaren Großmächten und ihren Hintersassen beitrug. Der Ost-West-Konflikt wurde durch Rüstungskontrolle entschärft.

Dieses Konzept steht offenbar vor seinem Ende. Das hat damit zu tun, dass sich die Großmacht China keinen substantiellen Beschränkungen und Kontrollen unterwerfen will. Zum anderen möchte Russland jenen Großmachtstatus, den die Sowjetunion einmal hatte, zurückgewinnen - und tut das auch mit klassischer Militärpolitik (Annexion der Krim, Machtprojektion in Syrien etc.) Zum Dritten schließlich setzt die Regierung Trump ein von ökonomischem Nationalismus bestimmtes, von selbstzentrierter Ideologie befeuertes Weltbild um. In der USA-über-alles-Sichtweise haben internationale Verträge nur dann Sinn, wenn sie Washington zu nützen scheinen.

Beim Open-Skies-Vertrag ist das genauso wenig der Fall wie beim Abkommen über atomare Mittelstreckenraketen (INF). Auch wenn Moskau gegen Letzteres wohl verstoßen hat, ist es der Trump-Regierung egal, ob dies durch neue Verhandlungen zu ändern gewesen wäre oder ob die früheren Verbündeten in Europa das INF-Abkommen für sehr wichtig halten. Austritt aus einem Vertragswerk erscheint den Trumpisten allemal als die bessere und einfachere Lösung, egal ob es um Raketen, die Weltgesundheitsorganisation oder Iran geht.

Die gegenwärtige Regierung in Washington hat, so scheint es, an guten Beziehungen zu Moskau oder Peking genauso wenig Interesse wie an einem freundlichen Verhältnis zu Berlin oder Paris. Seit Trumps Amtsantritt ist diese Haltung der globalen Äquidistanz in jedem Jahr schlimmer geworden. Der Wahltag im November lässt Übles befürchten.

© SZ vom 23.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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