Energiewende:Die Zeit der Kohle ist vorbei

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Braunkohlekraftwerk

Ursprünglich sollten die Treibhausgas-Emissionen bis 2020 um 40 Prozent unter den Stand von 1990 sinken. In der Sondierungsvereinbarung vom vergangenen Freitag gestehen die Verhandler stillschweigend, dass Deutschland dieses Ziel verfehlen werde.

(Foto: Federico Gambarini/dpa)

Den Beschäftigten darf nicht länger eine ewige Zukunft vorgegaukelt werden. Aber der Ausstieg aus der Kohle muss möglichst sanft und planvoll gestaltet werden.

Kommentar von Michael Bauchmüller

Die "Zukunft" gibt es nicht mehr. Fast 50 Jahre lang wurde in dem gleichnamigen Tagebau bei Aachen Braunkohle gefördert, irgendwann war nichts mehr zu holen. Heute ist dort, wo einst Zukunft war, ein See. So wird es überall sein, irgendwann: in anderen Tagebauen des Rheinlands, in der Lausitz, in Mitteldeutschland. Früher oder später.

Früher oder später - der Kampf um diese Frage wird am Wochenende kulminieren. Dann ziehen Tausende Beschäftigte aus den Revieren zur Demo nach Berlin, "gegen den sozialen Blackout ganzer Regionen". Zeitgleich schließen Umweltschützer eine Menschenkette um den Tagebau Garzweiler, während Wissenschaftler in flammenden Appellen dafür werben, an den deutschen Klimaschutz-Zielen festzuhalten - auf Kosten der Kohle. Deutschland erlebt das Ende einer Lebenslüge.

Jahrelang beschworen deutsche Regierungsvertreter die Zukunft der Kohle, während sie parallel eine Energiewende forcierten und auf internationalen Klimakonferenzen den Vorreiter gaben. Braun- und Steinkohle, so hieß es stets, seien "auf absehbare Zeit unverzichtbar". Wörtlich steht es so auch noch im Koalitionsvertrag von Union und SPD. Die Wahrheit ist: Auf absehbare Zeit wird die Kohle Vergangenheit. Sie muss es sogar werden.

Die Kohle wird Vergangenheit. Das muss so sein.

Das Ende hat längst begonnen - durch den Verzicht auf Neubauten. Nirgends in Deutschland wird mehr ein Braun- oder Steinkohlekraftwerk geplant. Das liegt zum einen daran, dass es europaweit derzeit nicht zu wenige, sondern zu viele Kraftwerke gibt. Zum anderen aber können auch Strommanager rechnen: Wenn neue Windparks und Solaranlagen billiger Strom erzeugen als neue Kohleblöcke, dann wird sich ein Neubau kaum rechnen können. Als "Schattenkraftwerke", die in Flautenzeiten einspringen könnten, taugt die schwerfällige Kohlekraft auch nur bedingt. Und mit Klimazielen verträgt sie sich erst recht nicht: Wenn Deutschland bis 2050 mindestens 80 Prozent weniger Kohlendioxid ausstoßen will als 1990, ist für die Kohle kaum noch Platz; dann muss vor allem von der so klimaschädlichen Braunkohle möglichst viel im Boden bleiben. Die Frage ist nicht mehr, ob Kohlekraftwerke und Tagebau auf Dauer verschwinden - sondern wie.

In dieser Lage hat der SPD-Chef und Energieminister Sigmar Gabriel ein überaus cleveres Modell vorgelegt. Es trifft die größten Kohlendioxid-Schleudern, nämlich ältere Braunkohlekraftwerke, fordert von ihnen einen zusätzlichen "Klimabeitrag". Das macht den klimaschädlichsten Strom teurer - zugunsten modernerer, effizienter Kraftwerke.

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