Bundeshaushalt:Umbuchen, bis es passt

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"Nicht so dramatisch": Finanzminister Olaf Scholz (SPD) gibt sich zuversichtlich, genug Geld für das geplante Klimaschutzpaket zu haben. (Foto: Bernd von Jutrczenka/picture alliance/dpa)
  • Finanzminister Olaf Scholz (SPD) will das Klimaschutzgesetz ohne neue Schulden finanzieren.
  • Um die schwarze Null zu halten, soll das nötige Geld aus anderen Quellen stammen: etwa aus dem Bundeshaushalt, aus dem Emissionshandel oder aus neuen Abgaben.
  • Gleichzeitig muss der Staat mit höheren Ausgaben rechnen, zum Beispiel bei der Senkung der Mehrwertsteuer für Bahntickets.
  • Die Details einer CO2-Bepreisung sind noch offen.

Von Cerstin Gammelin

Wie kriegt man 40 Milliarden Euro fürs Klima zusammen, wenn im Bundeshaushalt das Geld längst verplant ist, die wirtschaftlichen Aussichten alles andere als rosig sind und man sich selbst ein Verbot auferlegt hat, neue Schulden zu machen? Richtig - man rechnet alles noch einmal durch.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), derzeit ein Politiker mit besonders engem Terminkalender, hat seine Leute beauftragt, durchzukalkulieren, wie der größte Klimaschutz-Wurf in der bundesdeutschen Geschichte gelingen könnte, ohne dass man die schwarze Null kippen müsste. Am Freitag soll das Ergebnis vorliegen. Scholz war inzwischen verwegen genug, ein Versprechen abzugeben. Beim Klimaschutz werde es "nicht so dramatisch" zugehen, dass man sich von einem ausgeglichenen Haushalt verabschieden müsse.

Im Klimafonds liegen schon einmal sieben Milliarden Euro - ungenutzt

Das Herbeirechnen der schwarzen Null wird in Berlin inzwischen wie eine fünfte Grundrechenart praktiziert. Aus Sicht des Finanzministers, der auch Vizekanzler ist, sich um den Ko-SPD-Vorsitz bewirbt und bereit wäre, als Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten in die nächste Bundestagswahl zu ziehen, geht das so: Man lotet Spielräume aus, addiert die erwarteten Einnahmen aus zusätzlichen Maßnahmen, und schon hat man das nötige Geld zusammen. Das addiert sich Verhandlungskreisen zufolge auf jährlich acht bis zehn Milliarden Euro bis 2023. So einfach geht das?

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Bis Freitag soll das Milliardenprojekt stehen, doch derzeit gibt es laut SPD-Chef Schäfer-Gümbel nicht einmal eine "Teileinigung" zwischen Union und SPD. Auch was das kosten soll ist unklar.

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Klar ist inzwischen, woher das Geld kommen soll: aus dem Bundeshaushalt, aus Erlösen des bisherigen und des geplanten Handels mit Emissionsrechten sowie aus höheren Steuern und Abgaben. Der Reihe nach: Die meisten Milliarden sollen über den existierenden Energie- und Klimafonds (EKF) in die beabsichtigten Klimaschutzmaßnahmen fließen. Im EKF dürften sich Ende 2019 sieben Milliarden Euro an Rücklagen aus ungenutzten Programmen angesammelt haben. Zusätzlich fließen jährlich rund vier Milliarden Euro in den Fonds, fast die Hälfte davon aus dem Bundesbudget, der Rest aus den Erlösen des bisherigen Handels mit Emissionsrechten.

Bliebe alles so, wie es ist, wären im EKF bis 2023 theoretisch rund 23 Milliarden Euro verfügbar. Das wäre gut die Hälfte dessen, was für den Klimaschutz zusätzlich veranschlagt ist. Woher aber kommen die restlichen Milliarden?

Weil die Versteigerung von CO2-Emissionsrechten an Energieunternehmen inzwischen gut läuft, kalkuliert die Bundesregierung mit steigenden Erlösen. Fachleute glauben, dass die Erlöse jedes Jahr um durchschnittlich eine Milliarde Euro steigen könnten. Klappte das, wären schon 27 Milliarden Euro zusammen.

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Finanzminister Scholz legt einen ausgeglichenen Haushalt vor. Dass die große Koalition einig aussieht, ist auch der Nachurlaubsstimmung der Opposition geschuldet.

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Der nächste Punkt: Was bringen die zusätzlichen Maßnahmen ein? Die verdoppelte Ticketsteuer für Inlandsflüge etwa veranschlagen Experten mit einer Milliarde Euro jährlich. Die höhere KfZ-Steuer für besonders klimaschädliche Autos dürfte dagegen kaum zu Mehreinnahmen führen, weil im Gegenzug saubere Wagen weniger besteuert werden sollen. Bliebe die Lkw-Maut, die künftig auch für kleinere Lastwagen und auf Landstraßen gelten soll. Insider rechnen wiederum mit ungefähr einer Milliarde Euro an zusätzlichen Einnahmen. Sie verweisen allerdings darauf, dass dieses Geld direkt in die Kasse des Verkehrsministeriums fließe. Um das Geld ins Klimaschutzpaket der Bundesregierung zu bugsieren, müsste im Ministerium umgeschichtet und im Bundeshaushalt umgebucht werden. Mit einigen Rechenübungen hätte die Koalition so 35 Milliarden Euro zusammen. Von denen allerdings wiederum einiges abgebucht werden muss.

Eine Idee wäre, zusätzliches Geld mithilfe einer Anleihe herbeizuschaffen

Wird die Mehrwertsteuer für Bahntickets gesenkt, fehlen 600 Millionen Euro jährlich. Wird die energetische Gebäudesanierung steuerlich absetzbar, ergibt das eine Milliarde Euro im Jahr weniger. Wird die Pendlerpauschale um 20 Prozent erhöht, wie es die Union fordert, schlägt das mit einigen Milliarden Euro zu Buche. Mit jeder weiteren Kompensation sinken die Einnahmen.

Als letzter großer Posten verbliebe die Bepreisung von CO2, das im Verkehr, beim Wohnen und in der Landwirtschaft ausgestoßen wird. Das soll nicht über die Verbraucher laufen, sondern über die Firmen, die bauen, Fleisch produzieren oder Autos. Die Erlöse dürften so groß sein wie beim CO2-Handel für Energieunternehmen - wenn die Koalition sich entschlösse, den Handel sofort und mit dem gleichen Zertifikatepreis einzuführen. Die Union aber bremst, will "langfristig" Preissignale setzen. Der Einstiegspreis für die Handelszertifikate wird nur mit X angegeben.

Auch die Idee der Union, über einen "Klima- und Innovationsfonds" eine Anleihe auszugeben, um so an Geld zu kommen, ohne die schwarze Null zu gefährden, ist ohne weitere Details geblieben. Und so ist offen, ob die Koalition ihre Rechenaufgabe mit X wird lösen können.

© SZ vom 18.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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