Weltklimakonferenz:Wie die Großmächte beim Klima zusammenfinden sollen

Lesezeit: 4 min

US-Präsident Joe Biden traf in Scharm el-Scheich auch Ägyptens Präsident Abdel Fattah el-Sisi. (Foto: Kevin Lamarque/Reuters)

Die US-Regierung betont bei der Weltklimakonferenz die Erfolge der eigenen Klimapolitik. Zusammen mit den Deutschen versucht sie nun, die Chinesen wieder an den Tisch zu bringen.

Von Thomas Hummel, Scharm el-Scheich

Am sechsten Tag der Weltklimakonferenz flogen die Amerikaner ein. Ed Markey, demokratischer Senator aus Massachusetts, saß vormittags im US-Pavillon und rief den Zuhörern zu: "Wir sind zurück, wir sind drin im Prozess und wir sind noch nicht am Ende." Das setzte den Ton und wer einigen Amerikanern zuhörte, der musste glaube, das Problem der Erderwärmung wäre fast gelöst. Und ihr Land gehe mit leuchtendem Beispiel voran.

Dabei ist die Welt weit entfernt von dem Ziel, den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius oder zumindest weit unter zwei Grad zu halten, wie es im Pariser Klimaabkommen steht. Die zwei größten Problemländer sind China und die USA. Sie sind alleine für mehr als 40 Prozent der Treibhausgase verantwortlich. Ohne die beiden geht im Klimaschutz nichts. Entsprechend groß war die Erwartung an den Besuch von US-Präsident Joe Biden am Freitagnachmittag in Scharm el-Scheich. Auch die Ankündigung, Biden und der chinesische Präsident Xi Jinping werden sich kommende Woche am Rande des G-20-Gipfels persönlich treffen, schüren in Ägypten Hoffnungen, dass die beiden Großmächte zumindest beim Weltthema Klima wieder zusammenfinden. Seit dem Besuch von Nancy Pelosi, Sprecherin des US-Repräsentantenhaus, in Taiwan sind alle diplomatischen Gespräche zwischen China und den USA ausgesetzt.

"Es ist ein sehr gutes Zeichen, dass die USA das Thema Klima auf höchster Ebene ernst nehmen", sagte Jennifer Morgan, Staatssekretärin im Auswärtigen Amt und deutsche Verhandlungsführerin. Die US-Delegation, zu der auch Pelosi gehörte, betonte ihre Erfolge in den vergangenen Monaten. Zumindest wenn es darum geht, von nun an Treibhausgasemissionen zu verringern. Die Biden-Regierung schaffte es, zwei Gesetzgebungen zu verabschieden, die mit Milliardenprogrammen klimafreundliche Technologien stützen: das Infrastrukturgesetz und vor allem das sogenannte Gesetz zur Reduktion der Inflation. Biden nannte es "das größte und wichtigste Klimagesetz unseres Landes". Es mobilisiere 368 Milliarden US-Dollar, um saubere Energie zu fördern.

Die USA gehen beim Klimaschutz anders vor als die EU

"Damit sind die Instrumente da, die es nicht unwahrscheinlich machen, dass die Amerikaner ihre Klimaziele erreichen", sagt Christoph Bals, Geschäftsführer von Germanwatch. Biden sprach davon, im Vergleich zum Jahr 2005 die Emissionen um mehr als 50 Prozent bis 2030 zu reduzieren. "Wir werden unsere Ziele erreichen", kündigte er an. Dabei gehen die USA anders vor als die Europäische Union. Während die EU vor allem über den CO₂-Zertifikatehandel all jene finanziell bestrafen, die Emissionen ausstoßen, locken die USA mit Geld. Auf vielen Ebenen können Unternehmen künftig mit erheblichen Steuererleichterungen oder Zuschüssen rechnen, wenn sie etwa erneuerbare Energie ausbauen, grünen Wasserstoff herstellen oder Kohlendioxid in der Erde einlagern.

Wo Biden die Weltgemeinschaft nur enttäuschen konnte, war beim Thema Finanzen. Dass die Industrieländer, wie allseits beklagt, die zugesagten 100 Milliarden Dollar pro Jahr an Hilfszahlungen für die Entwicklungsländer nicht zusammenkriegen, liegt fast alleine an den USA. Die von den ärmeren Staaten geforderten Reparationen für "Verluste und Schäden" werden dort ebenfalls kritisch gesehen. Es ist in den USA innenpolitisch kaum vermittelbar, hohe Hilfsgelder aus dem Haushalt für weit entfernte Länder zu beschließen. Vor allem nicht, wenn die Republikaner etwas zu sagen haben.

Umso genauer blickt die Klimakonferenz auf die Auszählungen in einigen US-Staaten, die den Ausgang der Zwischenwahlen entscheiden. Übernehmen die Republikaner sowohl das Repräsentantenhaus wie auch den Senat, dürften Forderungen in Scharm el-Scheich, die Amerikaner als historisch größte Treibhausgas-Verursacher müssten sich finanziell mehr engagieren, ins Leere laufen. "Keine Regierung der Welt hat genug Geld, um diesen Job zu erledigen", sagte selbst John Kerry, Bidens Klima-Sonderbeauftragter. Sein vorrangiges Ziel sei es, den Privatsektor mobilisieren.

(Foto: SZ)

Kerry hatte den Vorschlag eingebracht, großen Unternehmen den Kauf von Treibhausgas-Gutschriften zu ermöglichen, wenn sie dafür in anderen Teilen der Welt klimafreundliche Projekte finanzieren. Damit soll privates Geld in Milliardenhöhe mobilisiert werden, um den Übergang "von dreckiger zu sauberer Energie" möglich zu machen, sagte Kerry. Weil es sehr schwierig ist, solche Treibhausgas-Bilanzen zu prüfen und ähnliche Projekte in der Vergangenheit bereits gescheitert sind, reagierten die Europäer skeptisch auf Kerrys Vorschlag. In der Gruppe der Entwicklungsländer löste er teils wütende Reaktionen aus und die Furcht, die Amerikaner wollen sich weiterhin aus der finanziellen Verantwortung ziehen.

Gleichzeitig wächst der Druck auf China und die arabischen Länder, sich ebenfalls an der Klimafinanzierung für die Entwicklungsländer zu beteiligen. Wie 1992 auf der ersten Klimakonferenz beschlossen sind bislang nur die alten Industrieländer des Westens gefordert. "Aber wir befinden uns jetzt im Jahr 2022", sagte Jennifer Morgan. Die Welt habe sich fundamental geändert, einige Länder seien heute wohlhabender, Deutschland erwarte, dass sich mehr Länder beteiligen.

Newsletter abonnieren
:Klimafreitag-Newsletter

Einmal pro Woche - immer freitags - schreiben SZ-Autorinnen und Autoren über Klimakrise, Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Kostenlos anmelden.

Trotz der geopolitischen Spannungen mit China versuchten Morgan und Kerry vor und während der Klimakonferenz den Gesprächsfaden zu den Chinesen neu aufzunehmen. "Es ist wichtig, miteinander zu sprechen", sagte Morgan. Sie und Kerry sind gut bekannt mit Pekings Verhandlungsführer Xie Zhenhua. "Wir haben einige informelle Gespräche geführt, aber wir befinden uns derzeit nicht in formellen Verhandlungen", sagte Kerry der Nachrichtenagentur Bloomberg zu Beginn der Konferenz.

Ob die beiden größten Treibhausgas-Emittenten die Klimadiplomatie in Ägypten wieder offiziell aufnehmen, wird am Montag 9500 Kilometer entfernt in Bali entschieden, wenn Biden und Xi Jinping zusammentreffen. Währenddessen sind Beobachter wie Christoph Bals schon froh, dass China die Verabredungen von Glasgow, die auch Druck auf die zu schwachen Klimaziele in China ausüben, bislang nicht infrage stellt.

Stattdessen hat die chinesische Delegation offenbar angekündigt, ihr Methan-Problem besser in den Griff zu bekommen. Methan ist zwar nicht so langlebig in der Atmosphäre wie Kohlendioxid, aber kurzfristig wesentlich wirksamer. China ist auch hier der größte Emittent. Beobachter hoffen, das Land könnte sich in der zweiten Konferenzwoche sogar der von den USA und der EU in Glasgow angestoßenen Initiative zur Methan-Reduktion anschließen. Und damit auch das nationale Minderungsziel der Treibhausgase insgesamt anheben. "Das wäre ein wichtiger Fortschritt", urteilt Christoph Bals.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ-Podcast "Auf den Punkt"
:Klimakrise: Geld für die, die am meisten leiden?

Bei der UN-Klimakonferenz gibt es diesmal einen besonderen Programmpunkt: Zum ersten Mal wird über Schadensersatz für Klimaschäden beraten.

Von Thomas Hummel und Nadja Schlüter

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: