Straßburg:Erstmals Klimaklage vor Menschenrechtsgericht erfolgreich

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Demonstranten begleiten die Klimaklagen in Straßburg. (Foto: Frederick Florin/AFP)

Es ist ein wegweisendes Urteil: Der mangelnde Klimaschutz der Schweiz verletze eine Gruppe Seniorinnen in ihren Menschenrechten, urteilen die Richter. Die Klage von Jugendlichen gegen 32 europäische Staaten weisen sie hingegen ab.

Klimaschützer haben mit einer Klage für schärfere Maßnahmen gegen den Klimawandel vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Erfolg gehabt. Der mangelnde Klimaschutz der Schweiz habe die klagenden Seniorinnen in ihren Menschenrechten verletzt, entschieden die Richter in Straßburg. Die Frauen seien in ihrem Recht auf Privat- und Familienleben und in ihrem Recht auf ein faires Verfahren berührt worden. Das Urteil könnte ein Präzedenzfall für weitere Klimaklagen sein. Zwei andere Klagen mit Bezug auf den Klimawandel aus Portugal und Frankreich blieben vor dem Gericht in Straßburg jedoch erfolglos.

Die von Greenpeace initiierte Gruppe älterer Frauen aus der Schweiz hatte geklagt, dass sie durch mangelnde Klimaschutzmaßnahmen in ihrem Recht auf Leben sowie auf Privat- und Familienleben verletzt würden. Die Gesundheit älterer Frauen werde durch immer stärkere und längere Hitzewellen besonders stark gefährdet. Die Seniorinnen wollten erreichen, dass die Alpenrepublik ihre Treibhausgasemissionen stärker reduzieren muss.

Das Urteil an sich bindet erst einmal nur die Schweiz, hat aber große Signalwirkung. Denn: Der EGMR mit Sitz im französischen Straßburg gehört zum Europarat und ist für die Einhaltung der Menschenrechtskonvention zuständig. Zum Europarat zählen die EU-Staaten, aber auch andere große Länder wie die Türkei oder Großbritannien. Das Urteil könnte nun ein Präzedenzfall für weitere Klimaklagen nicht nur vor dem EGMR, sondern vor unzähligen nationalen Gerichten werden.

Die Klage der Seniorinnen gilt als erste Klimaklage überhaupt, die vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verhandelt wurde. Der EGMR hat sich zwar zuvor schon mit Umweltemissionen - wie Lärm oder Luftverschmutzung - auseinandergesetzt, aber noch nie mit den CO₂-Emissionen eines Landes. Die Entscheidung war mit Spannung erwartet worden.

Jugendliche: Sieg der Klimaseniorinnen ist ein Sieg für alle Kläger

Geklagt hatten außerdem mehrere Jugendliche aus Portugal und ein französischer Bürgermeister. Die sechs jungen Kläger hatten 32 europäischen Staaten - darunter Deutschland - vorgeworfen, die Klimakrise verschärft und damit die Zukunft ihrer Generation gefährdet zu haben. Gibt es vermehrt Hitzewellen, Waldbrände, Stürme oder Überschwemmungen, seien Wohnungen nicht mehr sicher und die körperliche wie psychische Gesundheit würde beeinträchtigt. Die Kläger argumentierten, sie würden als junge Generation diskriminiert, weil sich die Auswirkungen der Erderwärmung künftig immer stärker zeigen dürften.

Die Richter wiesen die Klage jedoch als unzulässig ab. Die Jugendlichen hätten sich unter anderem zuerst in Portugal durch die Instanzen klagen müssen, bevor sie den Gerichtshof in Straßburg anrufen. Sofia Oliveira, eine der jugendlichen Klägerinnen, sagte nach dem Urteil, dass sie natürlich enttäuscht sei, aber der Sieg der Klimaseniorinnen ein Sieg für sie alle bedeute.

An den Klagen gab es ein weltweites Medieninteresse und große Solidaritätsbekundungen für die Klimaaktivisten. Zur Urteilsverkündung reisten mehrere Hundert Menschen an, auch die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg war vor Ort.

Im dritten Verfahren hatte ein französischer Ex-Bürgermeister geklagt, Frankreich habe keine ausreichenden Maßnahmen zur Verhinderung des Klimawandels ergriffen. Seine Heimatstadt Grande-Synthe an der Nordsee sei wegen des steigenden Meeresspiegels von 2030 an erhöhter Gefahr von Überschwemmungen ausgesetzt. Auch seine Klage wurde abgewiesen. Dem französischen Politiker fehle die sogenannte Opfereigenschaft, also dass er besonders betroffen sei, so die Richter.

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