Katholikentag:Olaf Scholz, Luisa Neubauer und "eine Zeit, die lange zurückliegt"

Lesezeit: 2 Min.

"Seine Reaktion macht sprachlos": Luisa Neubauer über den Scholz-Auftritt (Foto: Christoph Soeder/dpa)

Verglich der Kanzler Klimaaktivisten mit Nazis? Oder ist der Vorwurf "vollkommen absurd", wie eine Regierungssprecherin findet? Über einen bemerkenswerten Auftritt von Olaf Scholz auf dem Katholikentag.

Ein Auftritt von Olaf Scholz auf dem Katholikentag sorgt für Wirbel in der Klimabewegung. Die Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer wirft dem Bundeskanzler vor, er habe "Klimaaktivist:innen mit Nazis" verglichen. Damit habe er die NS-Herrschaft relativiert, "und auf paradoxe Art und Weise die Klimakrise gleich mit", schrieb Neubauer bei Twitter. "Er stilisiert Klimaschutz als Ideologie mit Parallele zur NS-Herrschaft. In 2022. Jesus. Das ist so ein Skandal."

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Neubauer reagierte damit auf den Auftritt des Kanzlers in Stuttgart am vergangenen Freitag, der von mehreren Aktivisten gestört worden war. Ein Aktivist hatte bei dem Auftritt des SPD-Politikers versucht, die Bühne zu stürmen, wurde daran jedoch von Sicherheitskräften gehindert und weggeführt. Scholz saß am Freitag beim 102. Katholikentag in der Stuttgarter Liederhalle auf einem Podium zum Thema "Zeitenwende und Zusammenhalt - Gesellschaft und Politik in unsicheren Zeiten". In der Diskussion ging es unter anderem um den Krieg in der Ukraine, aber auch um Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit.

Ein anderer Aktivist rief laut "Schwachsinn", als Scholz gerade über den Ausstieg aus der Kohleverstromung sprach und die Arbeitsplätze, die dadurch im Tagebau verloren gingen. Scholz kommentierte die Störung mit den Worten: "Ich sage mal ganz ehrlich, diese schwarz gekleideten Inszenierungen bei verschiedenen Veranstaltungen von immer den gleichen Leuten erinnern mich an eine Zeit, die lange zurückliegt, und Gott sei Dank."

Von den Zuschauern auf dem Katholikentag bekam Scholz stürmischen Applaus

Bei der Diskussion wurde nicht unmittelbar deutlich, worauf Scholz mit seinen Worten von einer "Zeit, die lange zurückliegt" anspielte. Die gezielte Störung von Veranstaltungen des politischen Gegners war eine Spezialität der Sturmabteilung (SA), der paramilitärischen Kampftruppe der NSDAP. Die SA-Leute waren dabei meist einheitlich braun gekleidet, was ihnen den Namen "Braunhemden" einbrachte. Verstanden werden konnten Scholz' Worte aber genauso als Anspielung auf die Sprengung von Veranstaltungen durch radikalisierte Studentengruppen in den 1970er Jahren, deren Spätzeit er selbst noch erlebt hatte.

Scholz sagte weiter, die Aktion sei ein "schauspielerisch geübter Auftritt. Ich war auch schon auf Veranstaltungen, da saßen fünf Leute, gleich gekleidet, jeder hatte eine eingeübte Haltung, und (die) machen das dann jedes Mal wieder." Das sei keine Diskussionsbeteiligung, "sondern das ist der Versuch, Veranstaltungen für seine eigenen Zwecke zu manipulieren. Das sollte man nicht machen." Scholz bekam dafür stürmischen Applaus von den rund 1800 Zuschauern (nachzusehen ist der Auftritt hier, die umstrittenen Passagen finden sich etwa ab Minute 59).

Die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann nannte den Vorwurf des Nazi-Vergleichs am Montag in Berlin "vollkommen absurd". Die Frage, auf wen genau sich die Worte des Kanzlers von einer "Zeit, die lange zurückliegt" genau bezogen hatten, wollte sie auf mehrfaches Nachhaken aber nicht beantworten. Die Aussagen von Scholz' stünden für sich. "Der Kanzler ist jederzeit bereit, inhaltlich darüber zu diskutieren", sagte Hoffmann. "Es geht darum, dass wir einen sachlichen Diskurs und eine inhaltliche Auseinandersetzung brauchen und dass das Stören öffentlicher Podiumsdiskussionen nicht dazu beiträgt, dass wir uns sachlich über das überaus notwendige Thema Klimaschutz auseinandersetzen."

Die Schriftstellerin Nora Bossong, die neben Scholz und der Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, auf dem Podium saß und nach eigenen Angaben einst selbst als Greenpeace-Mitglied an "halblegalen" Besetzungen teilgenommen hatte, appellierte unmittelbar nach der Störungsaktion an die Klimaaktivisten: "Ihr agiert auch gegen euer eigenes Interesse", sagte Bossong. "In dem Moment, in dem ihr euch radikalisiert, bricht das Gespräch ab. In dem Moment wird es erpresserisch und darauf kann die Politik nicht antworten. Und deshalb, zugunsten der Klimabewegung, lasst die Radikalität." Auch Bossong erntete für diese Sätze viel Applaus.

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