Klaus Reinhardt zu Afghanistan:"Karsai wandelt auf einem gefährlichen Grat"

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Nach Karsais Drohungen attackiert Ex-General Reinhardt Afghanistans Präsidenten - und bemängelt die Ausstattung der Deutschen.

Oliver Das Gupta und Wolfgang Jaschensky

Klaus Reinhardt hat viel gesehen. Mitte der neunziger Jahre war er verantwortlich für den Einsatz der Bundeswehr in Somalia. Er stieg auf zum Befehlshaber der Alliierten Landstreitkräfte in Mitteleuropa und leitete schließlich als erster deutscher Kommandant die Nato-Friedenstruppen im Kosovo. Doch im Ruhestand kommt der pensionierte Vier-Sterne-General nicht zur Ruhe. Er macht sich Sorgen um die Bundeswehr - vor allem um das Wohl der Soldaten in Afghanistan.

Nach den Drohungen des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai, eine Nato-Offensive in der umkämpften Region Kandahar zu blockieren, wächst der Argwohn beim General a. D. "Die Rolle von Hamid Karsai ist zweifellos problemtisch, er wandelt auf einem sehr gefährlichen Grat", sagt Reinhardt im Gespräch mit sueddeutsche.de.

Die Nato-kritischen Worte und seine Äußerungen zum Wahlbetrug seien zwar wohl mehr nach innen als nach außen gerichtet, räumt Reinhardt ein. "Aus Sicht der Nato sind Karsais Worte allerdings alles andere als hilfreich. Wenn hierzulande und in anderen westlichen Staaten über den Sinn und Zweck des Afghanistan-Einsatzes diskutiert wird, ist es kontraproduktiv, so auf den Tisch zu hauen."

Unterstützung erhält Reinhardt von Ex-Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU). "Der Mann ist politischer Treibsand. Die Alliierten sollten nicht auf ihn bauen", urteilte Rühe über Karsai in der Bild-Zeitung. Auch der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, Oberstabsbootsmann Wolfgang Schmelzer, kritisierte Karsai. "Signale dieser Art sind unerträglich", sagte Schmelzer der Passauer Neuen Presse. Wenn sich der afghanische Präsident jetzt mit den Taliban gemein mache, solle die Nato abziehen.

Reinhardt sieht den Westen hier in einem Dilemma: "Die Nato hat niemand anderen, mit dem sie politisch zusammenarbeiten kann." Die Alliierten müssten daher mit der derzeitigen Führung des Landes zusammenarbeiten und deren Arbeit wie Ansehen zu verbessern versuchen - "auch wenn sie sich geriert wie es Karsai tut".

Der Ex-General kritisiert auch die Ausstattung der Bundeswehr in Afghanistan. Die Ausbildung deutscher Soldaten vor einem Auslandseinsatz sei zwar in der Regel gut, zweckmäßig und solide, in Afghanistan sei allerdings modernstes Gerät im Einsatz, das in der Heimat noch nicht vorhanden sei. "Die Soldaten konnten sich beispielsweise mit dem Dingo oder neuester Fernmeldetechnik in der Vorbereitung nicht vertraut machen. Im Einsatz ist dann manchmal zu wenig Zeit, die Systeme voll in den Griff zu kriegen."

Auch Schmelzer sieht hier erhebliche Defizite: "Wenn für die Ausbildung nicht ausreichend Fahrzeuge und Gerät zur Verfügung stehen, muss man sich nicht wundern, wenn im Einsatz Fehler gemacht werden", so der Vize des Bundeswehrverbands.

Zudem bemängelt Reinhardt, dass der Bundeswehr in Afghanistan Kampf- und Transporthubschrauber fehlen, "die den Soldaten eine höhere Flexibilität im Gefecht geben, Hubschrauber, die sich rasch ins Gefecht einschalten können und erlauben, Kräfte schnell zu verlegen." Die in Afghanistan eingesetzten Hubschrauber vom Typ CH-53 seien zu wenig und auf dem technischen Stand von 1966 - "x-mal nachgerüstet, aber natürlich höchst anfällig angesichts der klimatischen Begebenheiten vor Ort".

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