Klage gegen Bundesregierung:Todesschlag aus Ramstein

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Menschen im Jemen begutachten die Trümmer eines Autos, das im August 2012 von einer US-Drohne beschossen worden sein soll. (Foto: REUTERS)

Eine US-Drohne tötete ihre Angehörigen. Jetzt verklagen drei Jemeniten die Bundesregierung, weil das Signal der Drohnen deutsches Gebiet passiert. Wusste die Regierung davon?

Von John Goetz und Hans Leyendecker, München

Am Himmel über Jemen patrouillieren seit mehr als zehn Jahren amerikanische Kampfdrohnen. Die Bilder, die sie machen, und die Daten fließen auch an den US-Stützpunkt Ramstein in Deutschland, der ein wichtiger Knoten im Netz des amerikanischen Drohnenprogramms ist.

Am 29. August 2012 feuerten US-Drohnen nach Augenzeugenberichten mehrere Raketen auf Menschen in einem Dorf in der Region Hadramaut. Fünf Männer wurden getötet. Drei von ihnen hatten offenbar Verbindungen zu al-Qaida. Die beiden anderen Männer hatten das nicht. Einer von ihnen, der Imam Salim bin Ali Jaber, hatte Tage zuvor in einer Freitagspredigt die Bevölkerung aufgerufen, sich gegen al-Qaida zu stellen. Er hatte das Vorgehen der Terrororganisation angeprangert. Drei Fremde wollten mit ihm über seine Predigt reden. Weil der Imam Rache fürchtete, brachte er zu dem Treffen einen Cousin mit, der Polizist war. Auch Dorfbewohner passten auf. Aber Raketen machen keine Unterschiede.

Drei Angehörige der beiden Opfer aus Jemen haben am Mittwoch beim Verwaltungsgericht in Köln eine 43 Seiten umfassende Klageschrift plus Anlagen gegen das Bundesministerium der Verteidigung eingereicht. Mit der umfangreichen Klage, die der SZ, dem WDR und dem NDR vorliegt, wollen sie erreichen, dass die Bundesregierung künftig einen solchen Datentransfer über deutsches Staatsgebiet unterbindet. Die Jemeniten sehen sich angesichts der Kampfdrohnen einer ständigen Gefahr ausgesetzt. Das im Grundgesetz verankerte Recht auf Leben müsse auch für sie gelten, argumentiert die Klage. Die Kläger werden von den internationalen Menschenrechtsorganisationen Reprieve und ECCHR unterstützt.

Einen Schwager und einen Neffen verloren

Einer von ihnen, der jemenitische Ingenieur Faisal bin Ali Jaber, der bei dem Angriff einen Schwager und einen Neffen verloren hat, schilderte am Dienstag im Menschenrechtsausschuss des Bundestages die Situation daheim. Er war in der Nähe, als die Raketen kamen. Angehörige seiner Familie hatten gerade eine Hochzeit gefeiert.

Es gibt unterschiedliche Statistiken über die Zahl der Drohnenopfer in Jemen. Dass unter ihnen viele Kinder, Hunderte unschuldige Zivilisten sind, weiß die Welt und nimmt das zumeist achselzuckend hin. Wegen der US-Drohnenangriffe in Somalia, Pakistan, Afghanistan und Jemen hat es immer wieder Klagen gegeben, auch in Deutschland. Die Bundesanwaltschaft beispielsweise hielt den Angriff auf einen deutschen Dschihadisten in Pakistan nicht für rechtswidrig. Die Doktrin hingegen, die USA könnten im weltweiten Krieg gegen den Terrorismus ohne räumliche Beschränkungen agieren, werde von Völkerrechtlern "ganz überwiegend abgelehnt".

Kontakt mit Ramstein

Die deutsche Besonderheit der Jaber-Klage ist der Ort Ramstein. Der Stützpunkt ist der größte US-Militärflugplatz außerhalb Amerikas; er war und ist die Drehscheibe für Kriege. Dort steht das Air and Space Operations Center, kurz AOC, das im Krieg mit den Kampfdrohnen eine wichtige Rolle spielt. Ganz früher, in einer Versuchsphase lange vor dem AOC, saßen in Ramstein sogar Drohnenpiloten. Das war der amerikanischen Regierung zu heikel - was würde wohl die Bundesregierung sagen?

Daraufhin wurde ein neues System entwickelt. Das Signal der Drohnen wird per Satellit nach Ramstein gesendet und von dort über ein Glasfaserkabel in die USA, wo die Piloten sitzen. Der ehemalige Drohnenpilot Brandon Byrant, der zahlreiche Einsätze geflogen hat, erklärte, er habe zu Beginn einer Mission zunächst immer Kontakt mit Ramstein gehabt.

Über diesen "geheimen Krieg" haben die drei Medien, denen die Klage vorliegt, im Vorjahr berichtet. In der Klage der Jemeniten wird darauf ausführlich Bezug genommen. Es geht in der Klage aber auch um den Umgang der Bundesregierung mit dem Fall Ramstein.

Hinweis in der Baubeschreibung

Auf zahlreiche Anfragen im Parlament hat die Regierung meist mit der Standardformel geantwortet, sie habe dazu "keine gesicherten eigenen Erkenntnisse". Mitunter wurde auch der Satz des US-Präsidenten Barack Obama angeführt, Deutschland sei nicht der "Ausgangspunkt" (launching point) für den Einsatz von Drohnen. Das allerdings hat nie jemand behauptet.

Aber für den Bau einer Satelliten-Relais-Station in Ramstein, über die Drohnen-Daten laufen, wie die Klage zeigt, haben die US-Streitkräfte vor einigen Jahren Unterlagen an das immer noch auf der Hardthöhe in Bonn ansässige Verteidigungsministerium geschickt. Wegen des Bonner Ministeriumssitzes ist das Verwaltungsgericht Köln für die Ramstein-Klage zuständig.

Die Baubeschreibungen enthalten den Hinweis der Amerikaner, ohne die neue Anlage könnten Angriffe mit bewaffneten Drohnen nicht unterstützt werden. Wer hat wann was nicht gewusst? Die Bedeutung des AOC und Ramsteins für den Drohnenkrieg wird auch in einem Hunderte Seiten umfassenden Bericht der US-Luftwaffe geschildert, der öffentlich zugänglich ist. Ob sich die Bundesregierung weiterhin auf die Position zurückziehen kann, von nichts gewusst zu haben, wird möglicherweise das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht zeigen.

© SZ vom 16.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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