Ostafrika:"Heiße Luft" und "Hörensagen"

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Anwohner diskutieren vor einem Wandgemälde des Präsidentschaftskandidaten Odinga im Kibera-Viertel von Nairobi über die Wahl. (Foto: Ben Curtis/picture alliance/dpa/AP)

Der Oberste Gerichtshof in Kenia bestätigt das Ergebnis der umstrittenen Wahl und macht William Ruto zum Präsidenten. Herausforderer Raila Odinga akzeptiert seine Niederlage.

Von Bernd Dörries, Berlin

Im ganzen Land hatten sich Zehntausende Menschen am Montagvormittag versammelt, um sich das Ergebnis anzuschauen, so, als ginge es um den Ausgang eines wichtigen Fußballturniers. Auf Großleinwänden wurde das Ereignis übertragen, in Kneipen geschaut und auf Millionen Handybildschirmen verfolgt. Kenias Oberster Gerichtshof hat am Montag sein Urteil über die Wahlen vom 9. August gesprochen - und im ganzen Land standen sich Anhänger der beiden Präsidentschaftskandidaten gegenüber, wie die Fans zweier Fußballmannschaften. Auf der einen Seite die von William Ruto, dem amtierenden Vizepräsidenten - auf der anderen die von Raila Odinga, dem Serienzweiten, der bereits bei fünf Wahlen angetreten ist, ohne jemals zu gewinnen, die Wahl vor einem Monat hatte er mit 48,8 Prozent gegen 50,5 Prozent verloren.

Dabei bleibt es auch, der Oberste Gerichtshof sah am Montag keinerlei Gründe, Odingas Einspruch stattzugeben. Er hatte eine ziemlich wilde Mischung von Verschwörungstheorien und angeblichen Beweisen bei Gericht eingereicht, die belegen sollten, dass bei der Auszählung der fast 15 Millionen Stimmen manipuliert worden sei. Seine Anhänger behaupteten, Hacker aus Venezuela hätten sich in das Computersystem der Wahlbehörde eingeschlichen, um die Stimmenzahl zugunsten von William Ruto zu manipulieren.

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"Heiße Luft", Belege vom "Hörensagen" und "Sensationslust", so beschrieb die Vorsitzende Richterin Martha Koome die von Odinga und seinem Team eingereichten sogenannten Beweise, die fast einen ganzen Lieferwagen füllten.

Das Wahlsystem ist nun transparenter als in manchem europäischen Staat

Fast 400 Millionen Euro hatten der kenianische Staat und internationale Geber für die Wahl ausgegeben, ein System der Stimmzählung eingeführt, das transparenter ist als in vielen europäischen Staaten. An jedem der 46 229 Wahllokale wurden die Ergebnisse des jeweiligen Bezirks ausgehängt, und von Vertretern aller Parteien abgezeichnet, parallel wurden sie elektronisch auf die Datenbank der Wahlbehörde hochgeladen, die daraus das Gesamtergebnis errechnete. Die hochgeladenen Formulare entsprächen aber nicht den physischen an den Wahllokalen, hatte Odinga behauptet. Dafür gebe es keinerlei Beweise, sagte das Gericht und warf den Klägern die Fälschung von Beweisen vor.

Raila Odinga spricht vor den Gerichtsgebäuden in Nairobi, nachdem er die Anfechtung der Wahl beantragt hatte. (Foto: John Ochieng/IMAGO/ZUMA Wire)

Die Anfechtung der Wahlergebnisse hat in Kenia eine gewisse Tradition. Beim Urnengang 2007 lag Odinga nach den ersten Hochrechnungen vorne, fiel dann aber auf rätselhafte Weise zurück. Damals gingen auch internationale Wahlbeobachter von einem möglichen Betrug aus. Auch die beiden nächsten Wahlen 2013 und 2017 verlor Odinga, und ließ das Ergebnis anfechten. Vor fünf Jahren gaben ihm die Richter sogar recht und ließen die Wahlen wiederholen, Odinga trat allerdings nicht wieder an und behauptete, er habe ohne grundsätzliche Reform der Wahlbehörde keine Chance auf einen Sieg.

In den Monaten darauf versuchte er den Wahlsieger Uhuru Kenyatta mit Massendemonstrationen aus dem Amt zu drängen, was allerdings misslang. Bei der Wahl 2022 erhielt Odinga zur Überraschung vieler Kenianer die Unterstützung seines langjährigen Rivalen Kenyatta, der sich wiederum von seinem einstigen Verbündeten und Vizepräsidenten Ruto lossagte. Für viele Kenianer waren die Rochaden ein weiterer Beleg dafür, dass das politische System von einer kleinen Elite beherrscht wird, die unter sich ständig neue Koalitionen eingeht, um ihre Macht zu sichern. Die Wahlbeteiligung lag dieses Mal bei lediglich bei 64 Prozent, ein Minus von 16 Prozentpunkten.

Der bisherige Vizepräsident Ruto soll in den kommenden Wochen vereidigt werden. Während es in den vergangenen Jahren nach umstrittenen Wahlen immer wieder zu Gewalt gekommen war, gibt es in Kenia derzeit keine Anzeichen dafür. Verlierer Raila Odinga scheint das Urteil des Gerichtes anzuerkennen: "Wir haben uns immer für Rechtsstaatlichkeit und die Verfassung eingesetzt. In dieser Hinsicht respektieren wir die Meinung des Gerichts, auch wenn wir mit seiner heutigen Entscheidung vehement nicht einverstanden sind."

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