Ostafrika:Verlierer Odinga erklärt Kenias Wahlergebnis für "null und nichtig"

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Unterstützer des offiziellen Wahlsiegers William Ruto feiern Montag auf den Straßen der Großstadt Eldoret im Westen Kenias. (Foto: Simon Maina/AFP)

Der Chef der Wahlkommission von Kenia hat William Ruto als knappen Sieger und neuen Präsidenten ausgerufen. Doch sein Gegner Raila Odinga weist das zurück. Wie das Finale der Auszählung zum Eklat führte und was der Unterlegene nun tun will.

Von Arne Perras, München

William Ruto bemüht sich um ein entspanntes, ja freudiges Lächeln, auch in diesem seltsamen Moment. Als wäre gerade nichts gewesen. Montagabend, kurz nach 18 Uhr in der kenianischen Wahlzentrale: Die Fernsehsender übertragen live, gerade hat es Tumulte und Handgreiflichkeiten im Saal gegeben, die Stimmung ist aufgeheizt. Doch wenige Minuten später sind die Kameras schon auf William Ruto gerichtet, der seine Urkunde hochhält wie ein braver Junge, der gerade vom Schuldirektor die Siegerurkunde bei den Bundesjugendspielen in die Hand gedrückt bekommen hat.

Doch hier werden die Zuschauer Zeugen eines konstitutionellen Akts. Der Chef der kenianischen Wahlkommission hat gerade das Zertifikat für den Sieger der Präsidentschaftswahlen unterzeichnet und ausgehändigt. Das Dokument ist Rutos offiziell gezeichneter Ausweis der Macht. 50,5 Prozent für ihn. Das reicht - wenn es dabei bleibt.

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Der Chef der Wahlkommission ruft William Ruto zum Sieger aus - knapp vor seinem Gegner Raila Odinga. Doch ein Teil des Gremiums trägt dieses Ergebnis nicht mit.

Von Arne Perras

Bis zu seiner Vereidigung ist der 55-Jährige jetzt "President-elect" von Kenia. Aber das Ergebnis ist äußerst knapp, Gegner Raila Odinga kommt auf 48,8 Prozent. Und Rutos Sieg ist nun heftig umstritten. Befeuert wird die Konfrontation zunächst durch vier Mitglieder der Wahlkommission IEBC, die am Montag in letzter Minute ausscheren, um zu verkünden, dass sie das vom IEBC-Chef vorgetragene Ergebnis gar nicht mittragen.

Viele Bürger warten erst mal ab. Sie wissen ja, wie schnell es eskalieren kann

Was das nun heißt? Verfassungsexperte Bobby Mkangi in Nairobi erklärt wenige Minuten später, dass der IEBC-Chef alleine die konstitutionelle Verantwortung für die Verkündung des Ergebnisses trage. Was der IEBC-Vorsitzende vorträgt, hat demnach also Gültigkeit, solange das Verfassungsgericht nicht einer Beschwerde stattgibt und anderes verfügt, etwa eine Wiederholung der Wahl. "Ich stehe vor Ihnen, trotz der Einschüchterungen und Belästigungen", erklärt Wafula Chebukati, Chef der Wahlkommission, am Montagabend. Er sieht sich eher als Verfolgter denn als Täter, und er versichert: "Ich habe meine Pflicht getan, gemäß den Gesetzen dieses Landes."

Die vier Abweichler in der siebenköpfigen Wahlkommission haben nicht benannt, was genau sie kritisieren, und so hält auch am Dienstag die Verunsicherung in vielen Teilen Kenias an, vor allem dort, wo die Menschen auf Raila Odinga gesetzt haben. Zum Beispiel in der westlichen Stadt Kisumu. Viele Läden haben morgens geschlossen, wie Fernsehbilder zeigen. Die Bewohner wollen erst mal abwarten, wie sich die Lage entwickelt. Sie haben gelernt, vorsichtig zu sein in Zeiten von Wahlen, in denen schnell Emotionen hochkochen und Gewalt ausbrechen kann. Einige junge Männer laufen vor Kameras zusammen, man sieht ihnen die Aufregung an. Dem Sender Al-Jazeera sagt einer von ihnen: "Wir warten, was Raila Odinga sagen wird." Er ist ihr Anführer.

Mit blauem Hut und schlechter Laune tritt Wahlverlierer Raila Odinga am Dienstag in Nairobi auf. (Foto: Mosa'ab Elshamy/AP)

Das Wort ergreift Odinga erst am Nachmittag in Nairobi. "Die Demokratie hat einen schweren Rückschlag erlitten", verkündet der 77-Jährige, und erhebt schwere Vorwürfe gegen den IEBC-Chef Wafula Chebukati. Als Chef der Wahlkommission könne man nicht wie ein Diktator agieren, der die anderen im Team beherrsche, schimpft er. Odinga attackiert immer wieder in seiner Rede den Leiter der Wahlkommission, der Fakten geschaffen und die Mitglieder seines Teams völlig übergangen habe.

"Die Zahlen, die Mister Chebukati verkündet hat, sind null und nichtig", sagt Odinga. Und deswegen gebe es auch keinen gewählten Präsidenten. Chebukati habe ohne Respekt für die Verfassung gehandelt, er nannte ihn gar eine "Gefahr für die Sicherheit".

Niemand solle das Recht in die eigene Hand nehmen, klagt Odinga und kündigt an, alle rechtlichen Schritte zu gehen, die zur Verfügung stehen. Nach 13 Minuten verlässt der 77-Jährige die Bühne, und allen ist klar: Dieser Streit um Kenias Wahlen 2022 kann sich noch lange hinziehen.

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