Das Politische Buch:Meditationen wider die Gewalt

Friedensbotschafterin: Samantha Smith 1983 in der Sowjetunion. (Foto: Unbekannter Fotograf/Maine State Museum)

Katja Petrowskaja beschreibt in ihrem Fotobuch Osteuropa voller Poesie und Melancholie. Und sie erklärt, wie Vergangenheit Gegenwart bestimmen kann.

Von Robert Probst

Der Kalte Krieg ist auf dem Höhepunkt. Und doch lächeln da ein amerikanisches Mädchen und ein sowjetischer Milizionär gemeinsam auf einem Foto. Samantha Smith, damals zehn Jahre alt, hatte 1982 dem sowjetischen Staatschef Juri Andropow einen Brief geschrieben, ihre Sorge galt einem Atomkrieg. Der lud sie in sein Reich ein. Und so landete Smith "in der Mitte unseres Lebens, wie vom Himmel gefallen", schreibt die Schriftstellerin und Journalistin Katja Petrowskaja, geboren 1970 in Kiew. Der Moment, der etwas Entwaffnendes hatte, gab Hoffnung. Aber nicht lange genug.

Nicht alle Fotos, die Petrowskaja seit 2015 regelmäßig in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung besprochen hat, handeln vom Krieg. Eine Auswahl ist nun als Buch erschienen - und doch wird dieses Buch "vom Krieg umklammert", schreibt sie im Nachwort. Die kleinen Textminiaturen oder Meditationen über einzelne Fotos, die ihr scheinbar wahllos in die Hände gerierten, entstanden seit Putins Angriff auf die Ostukraine - "aus Ohnmacht vor der Gewalt".

Wohl selten wurde Privates und Politik so poetisch kommentiert. Und selten wird dem Leser schmerzlicher bewusst, wie Vergangenheit und Gegenwart miteinander in Verbindung stehen, schaut man etwa auf das von Deutschen zerstörte Kiew 1943 oder auf ein Radrennen ebendort kurz nach der Katastrophe von Tschernobyl 1986.

Andropow hatte übrigens zurückgeschrieben: "Ja, Samantha, wir in der Sowjetunion versuchen alles zu tun, damit es auf der Erde keinen Krieg gibt." Was Putin wohl geschrieben hätte?

Katja Petrowskaja: Das Foto schaute mich an. Kolumnen. Mit 52 Abbildungen. Suhrkamp, Berlin 2022. 256 Seiten, 25 Euro.

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