Katholische Kirche:"Getäuscht und hinters Licht geführt"

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ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp am Freitag in München, im Hintergrund das Kreuz von Egino Weinert. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Die katholischen Laien versammeln sich in München und kritisieren den Vatikan und mauernde Bischöfe: Die Beschlüsse des Synodalen Wegs müssen umgesetzt werden.

Von Annette Zoch

Das Kreuz aus der Werkstatt des Kölner Goldschmieds Egino Weinert stand von 1959 an in der Kapelle des Generalsekretariats des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) in Bonn, seit einem Jahr ziert es nun die neuen Räume der katholischen Laienvertretung in Berlin. Zu jeder Vollversammlung des ZdK wird es außerdem durchs Land gefahren und verleiht neonröhrenbeleuchteten Hoteltagungsräumen ein wenig sakralen Glanz - so auch an diesem Freitag im Münchner Osten. Die vielen Wege haben am Kreuz allerdings ihre Spuren hinterlassen und deshalb bittet das ZdK am Rande der Vollversammlung um Spenden für die Restaurierung.

Es ist das erste Mal nach Abschluss des Synodalen Wegs im März, dass sich die katholischen Laien wieder versammeln - und gewisse Transportschäden lassen sich auch am kirchlichen Reformprojekt nicht leugnen. Zwei Dinge sind in der Zwischenzeit passiert: Zum einen hat der Vatikan restlos allen auf dem Synodalen Weg beschlossenen Reformen - Taufspendung durch Laien, Predigten von Frauen, Mitsprache bei der Bischofswahl - eine Absage erteilt. Zum zweiten, und das ist in seiner Auswirkung womöglich noch gewichtiger, ist in der Zwischenzeit im Erzbistum Freiburg das Missbrauchsgutachten veröffentlicht worden.

Darin ist schwarz auf weiß nachzulesen, wie ausgerechnet der damalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, nach innen in seiner eigenen Diözese Taten vertuscht, Täter geschützt und Kirchenrecht gebrochen hat - während er nach außen, vor Öffentlichkeit und Politik und auch den katholischen Laien gegenüber, seinen unbedingten Aufklärungswillen bekräftigte. Und einen "Gesprächsprozess" mit den Laien anstieß, die Themen lauteten: Sexualmoral, Rolle der Frauen, Umgang mit Macht. Klingt irgendwie bekannt und letztlich endete der Gesprächsprozess im Jahr 2015 ergebnislos, um dann vier Jahre später als "Synodaler Weg" eine Neuauflage zu erleben.

ZdK-Präsidentin nannte Zollitsch einen "Heuchler"

Rückblickend sei Zollitschs Gesprächsprozess ein "Ablenkungsmanöver" gewesen, mit dem die Probleme verkleistert werden sollten, hatte ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp vor der Vollversammlung im Interview mit dem Deutschlandfunk kritisiert, sie nannte Zollitsch einen "Heuchler". In München erneuerte sie ihre Kritik. Sie sei "wütend": "Als absolutistisches Machtsystem muss diese Kirche ein Ende finden", sagte Irme Stetter-Karp. Der "Wind des Wandels" müsse "bis in die letzten Winkel dieses verkrusteten Systems hineinwehen".

Einige Bischöfe sähen bis heute in ihrem Verantwortungsbereich keine Notwendigkeit für eine Studie, dies "wirkt wie Hohn". Selbstkritik übte ZdK-Mitglied Maria Flachsbarth, die von 2009 bis 2013 Beauftragte für Kirchen der Unionsfraktion im Bundestag war: "Ich fühle mich getäuscht und hinters Licht geführt, aber ich habe als Politikerin damals auch nicht nachgebohrt", sagte sie.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der selbst Protestant ist, aber für ein Grußwort zum Auftakt der Vollversammlung eingeladen war, appellierte an die Kirche, das Problem sexuellen Missbrauchs "glaubwürdig und abschließend zu lösen". Das sei nötig, "damit wieder Frieden herrscht, auch in unseren Gemeinden". Die Kirche könne nur mit transparenter und entschiedener Aufarbeitung Vertrauen zurückgewinnen, sagte Söder. "Die Kirche hat eine einzigartige moralische Garantenstellung" - und darum gehe man auch zu Recht besonders hart mit ihr ins Gericht.

Bischöfe und Laien arbeiten weiter an der Reform

Beim Synodalen Weg hatten sich katholische Bischöfe, Kleriker und Laien darauf verständigt, langfristig einen Synodalen Rat einzusetzen - ein bundesweites und auf Dauer angelegtes Gremium, in dem Bischöfe und Laien künftig gemeinsam beraten sollen. Vorbereitet werden soll dieser Rat durch den so genannten Synodalen Ausschuss, dessen Mitglieder im März bei der letzten Synodalversammlung gewählt wurden. Zwar hatte der Vatikan auch zu einem solchen Gremium Nein gesagt, die Mehrheit der deutschen Bischöfe und die katholischen Laien arbeiten aber weiterhin daran. Am 10. November in Essen soll der Synodale Ausschuss zum ersten Mal tagen.

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"Wir gehen keinen Millimeter hinter unsere Beschlüsse zurück", sagte ZdK-Vize Thomas Söding, der vergangene Woche in Rom unter anderem mit dem Chef der Behörde für die Glaubenslehre, Luis Ladaria, über den Synodalen Weg gesprochen hatte. Eine Mehrheit der deutschen Bischöfe stehe hinter den Reformen. Beim Start des Synodalen Wegs 2019 hatten die Bischöfe sich noch eine Sperrminorität ausbedungen. Weil die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit der Bischöfe fehlte, war unter anderem ein Papier zur Sexualmoral durchgefallen. "Das haben wir bitter gelernt, das wollen wir nicht mehr", sagte Stetter-Karp. Und: "Ich bestehe darauf, dass die Beschlüsse des Synodalen Wegs in allen deutschen Diözesen umgesetzt werden."

Die Finanzierung des Synodalen Ausschusses ist allerdings noch nicht gesichert: Das Geld dafür kommt vom Verband der Diözesen Deutschlands, sprich: aus den Geldtöpfen der Bischöfe. Die Verhandlungen darüber seien noch nicht abgeschlossen, sagte ZdK-Generalsekretär Marc Frings.

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