Die beiden Männer halten einander die ganze Zeit an den Händen. Aneinander gelehnt sitzen sie in der Kirchenbank, wiegen sich zum Takt der Musik. "Amor marinaro" singt die Altistin, über eine Seefahrerliebe. Ganz im Zeichen der Liebe steht dieser Gottesdienst am Sonntagnachmittag in St. Benedikt im Münchner Westend. "Mein Gott liebt jeden Menschen", steht auf Plakaten vor der Kirche. Drinnen bedeckt eine Regenbogenflagge den Altar, Segenswünsche auf bunten Notizzetteln bilden davor einen Regenbogen aus Papier.
Die Feier am Sonntag war einer der ersten Gottesdienste der bundesweiten Aktion #liebegewinnt. Vor allem am heutigen Montag wollen in ganz Deutschland katholische Seelsorger in 100 Gottesdiensten Menschen und ihre Beziehungen segnen - und zwar unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung. Auch wiederverheiratet-geschiedene Paare sind ausdrücklich mit eingeladen. Damit wenden sich Priester und Laien gegen ein Papier der römischen Glaubenskongregation, das die Segnung für Homosexuelle verboten hatte.
Katholische Kirche:Rebellion gegen Rom
Am Montag wollen katholische Seelsorger in ganz Deutschland Paare segnen - auch homosexuelle. Dies löst international scharfe Reaktionen aus.
Angefangen hatte alles mit einer Unterschriftensammlung gegen das römische Segnungspapier, initiiert von den Priestern Burkhard Hose und Bernd Mönkebüscher. Binnen kürzester Zeit sammelten sie 2600 Unterschriften von Klerikern und Mitgliedern aller pastoralen Berufe gegen das Segnungsverbot. Für den Gottesdienst in München zeichnet die katholische Frauenbewegung "Maria 2.0" mit verantwortlich.
Priester Wolfgang Rothe liest aus dem Johannesevangelium, "Das ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, so wie ich euch geliebt habe." Als Rothe dann zum Segen an den Altar einlädt, müssen sich einige in den Bänken die Augen abtupfen - es ist ein emotionaler Moment. Christine Waltner und Almut Münster haben sich extra schick gemacht für den Anlass, ihre Outfits farblich aufeinander abgestimmt, ein pinkgemustertes Kleid trägt die eine, eine gleichfarbige Bluse die andere. Sie treten Hand in Hand nach vorne, senken die Köpfe unter die ausgestreckten Hände Rothes.
Ein Gegner der Aktion kündigt einen "Kampfrosenkranz" an
"Der Himmel war offen", sagt Rothe nach dem Gottesdienst. "Das war sehr berührend für uns", bekennt Waltner nach der Segnung. "Wir wollen unsere Liebe nicht als Sünde bezeichnen lassen, wir wollen uns nicht mehr ausgrenzen lassen." Und mutig sei es von den Organisatoren gewesen, dieses Wagnis einzugehen.
Tatsächlich waren vor den Gottesdiensten auch Drohungen eingegangen, eine Mail kam von einem Absender namens "Zorn Gottes", ein anderer Schreiber kündigte an, er werde sich in den Gottesdienst setzen und laut einen "Kampfrosenkranz" beten. Sicherheitshalber schaute deshalb die Polizei vorbei. Doch alles blieb ruhig.
Von der Tür der Augustinerkirche in Würzburg wurde am Sonntagnachmittag ein großes Plakat in Regenbogenfarben heruntergerissen, darauf stand "Wir können doch gar nicht anders als segnen". Die Augustiner wollen jetzt Anzeige wegen Sachbeschädigung und Diebstahls erstatten. In Wuppertal postierten sich Demonstranten mit einem großen Plakat mit der Aufschrift "Kein Segen für die Sünde" vor der Basilika St. Laurentius.
Auf erzkonservativen katholischen Internetportalen kursieren bereits Muster-Formbriefe, in die nur noch der Name des betreffenden Pfarrers eingesetzt werden muss, zur Meldung an den Bischof oder gleich direkt nach Rom. Exkommunikations-Drohungen stehen im Raum. Die Bewegung "Maria 1.0", gegründet als Gegenbewegung zu "Maria 2.0", appelliert an die Bischöfe, durchzugreifen - und ruft "alle Katholiken und Menschen guten Willens" dazu auf, an diesem 10. Mai den Rosenkranz zu beten.
Eine so konzertierte Aktion des Widerstands gegen Rom wie die Segnungen, es gab sie schon lange nicht mehr in der katholischen Kirche. Sie mobilisiert auch im rechtskonservativen Milieu. Doch die Fülle der Gottesdienste solle auch die einzelnen Priester schützen, sagt der Würzburger Hochschulpfarrer Burkhard Hose. Er hofft auf die Zurückhaltung der Bischöfe: "Wer darauf mit disziplinarischen Maßnahmen reagiert, enttarnt sich."