Wahl in Katalonien:Separatisten erringen absolute Mehrheit

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Wählen mit Abstand: Wegen der Pandemie wurden die Menschen in Kataloniens Hauptstadt Barcelona nur einzeln an die Urnen gelassen, wie hier vor dem Sant-Antoni-Markt bildeten sich bei Regenwetter lange Schlangen. (Foto: Josep Lago/AFP)

Es war eine Richtungswahl: Die Menschen in Katalonien stimmen vor allem für Parteien, die für eine Loslösung von Spanien sind. Die meisten Stimmen erhält der sozialistische Kandidat. Regieren wird er aber wohl nicht.

Von Karin Janker, Madrid

Es war eine Richtungswahl für Katalonien: Soll weiterhin um eine weitgehende Selbstbestimmung oder gar die Unabhängigkeit der Region gerungen werden - oder nicht? Die Richtung ist nach Auszählung fast aller Stimmen eindeutig. Demnach erreichen die Separatisten erneut die absolute Mehrheit der Sitze im Parlament von Barcelona. Alle separatistischen Parteien zusammen dürfen mit insgesamt etwa 74 Sitzen rechnen. Die Mehrheit liegt bei 68 Sitzen. Stärkste Partei aus dem separatistischen Lager werden demnach die Linksrepublikaner des bisher kommissarisch regierenden Vizepräsidenten Pere Aragonès.

Als mit 23 Prozent stärkste Partei, was die Stimmenmehrheit angeht, dürften die Sozialisten ins Parlament einziehen, allerdings wohl mit ebenso vielen Sitzen wie die Linksrepublikaner, nämlich 33. Im katalanischen Wahlsystem entspricht die Stimmenmehrheit nicht unbedingt der Mehrheit der Sitze, da ländliche Regionen bei der Vergabe der Mandate bevorzugt werden. Die Sozialisten hätten ihr Ergebnis von 2017 damit fast verdoppelt. Für ihren Spitzenkandidaten, den bisherigen spanischen Gesundheitsminister Salvador Illa, ist dies ein tragischer Erfolg. Mitregieren wird Illa in Barcelona wohl nicht.

Alle Separatisten-Parteien hatten ein Bündnis mit den Sozialisten ausgeschlossen

Rein rechnerisch wäre somit zwar auch eine linke Koalition aus Linksrepublikanern und Sozialisten sowie En Comú Podem denkbar. Doch unmittelbar vor der Wahl hatten sämtliche separatistischen Parteien einen Pakt mit Illas Sozialisten ausgeschlossen, auch die Linksrepublikaner. Wenn es dabei bleibt, dürfte es in Barcelona auf eine Wiederauflage der bisherigen Koalition aus Puigdemonts Junts per Catalunya und den Linksrepublikanern hinauslaufen, wobei diesmal Letztere den Regionalpräsidenten stellen dürften.

Wahl in Katalonien
:Einsam an der Spitze

Katalonien wählt - und der Streit um die Unabhängigkeit kocht wieder hoch. Spaniens Ex-Gesundheitsminister Salvador Illa weckte als Kandidat der Sozialisten Hoffnung auf einen Ausweg. Doch dann isolieren ihn die Separatisten durch ein Manöver kurz vor der Wahl.

Von Karin Janker

Die Wahl bedeutet zudem eine herbe Niederlage für die größte Oppositionspartei Spaniens an, den konservativen Partido Popular. Er wurde demnach von der rechtspopulistischen Vox überholt, die mit elf Abgeordneten erstmals ins katalanische Regionalparlament einziehen könnte und damit aus dem Stand viertstärkste Fraktion würde. Einen Absturz erlebten die liberalen Ciudadanos, sie könnten demnach 30 Sitze verlieren und von der stärksten zur zweitschwächsten Fraktion werden.

Die "außergewöhnlichste Wahl" seit 40 Jahren

Die Neuwahl war nötig geworden, nachdem im September der bisherige katalanische Regionalpräsident Quim Torra wegen Ungehorsams seines Amtes enthoben worden war. Bereits vor Torras Amtsenthebung hatte es aber gewaltig in der Koalition geknirscht, denn die Separatisten sind sich zunehmend uneinig über den Weg, der zur Unabhängigkeit führen soll. Während Puigdemonts nationalkonservative Junts per Catalunya ein neues Unabhängigkeitsreferendum erzwingen wollen, stehen die Linksrepublikaner mittlerweile für die Bereitschaft zum Dialog mit Madrid. Dieser Zwist dürfte nun die Regierungsbildung überschatten.

Ob tatsächlich an diesem Sonntag gewählt werden sollte, war lange Zeit unklar. Mehrere Parteien hatten sich dafür ausgesprochen, die Wahl zu verschieben. Erst zwei Wochen vor dem Termin entschied Kataloniens oberstes Gericht, dass trotz Pandemie gewählt wird. Für die in Barcelona ansässige Zeitung La Vanguardia war es auch deshalb die "außergewöhnlichste Wahl" seit 40 Jahren.

Die Coronavirus-Pandemie bedeutete erschwerte Bedingungen für die Regionalwahl im Nordosten Spaniens. Zunächst hatte es Probleme gegeben, ausreichend Wahlhelfer zu rekrutieren, da sich ein großer Teil der Ausgelosten per Attest von der Verpflichtung freistellen ließ. Spanien erlebt derzeit eine heftige dritte Welle mit vielen Neuinfektionen, die Angst vor Ansteckung war offenbar bei vielen groß.

Experten hatten auch deshalb vor einer geringen Wahlbeteiligung gewarnt. Ihre Befürchtungen sollten sich bewahrheiten. Den Hochrechnungen zufolge lag die Wahlbeteiligung bei knapp 54 Prozent. Vor drei Jahren hatte sie mit 79 Prozent einen Rekordwert erreicht - die Stimmung in Katalonien war im Dezember 2017 aufgeheizt, das umstrittene Referendum über die Unabhängigkeit gerade erst ein paar Wochen her.

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