Fünfundsiebzig Minuten hat der ungehaltene kleine Herr für sein Anliegen. Und er nutzt die Zeit nicht nur, um sich zu bedanken. Carles Puigdemont, ehemaliger Regionalpräsident von Katalonien, will am Samstag nach Brüssel zurückzukehren. "Meine politischen Aktivität wird wieder von Belgien ausgehen, denn dort ist der Sitz all unserer Tätigkeiten", sagte er am Mittwoch in der Bundespressekonferenz in Berlin. Er werde nun seine politische Arbeit fortsetzen, wo er vor seiner Festnahme tätig gewesen sei. "Natürlich habe ich ein Mandat der Bevölkerung, das ich respektieren und ausüben werde."
Der katalanische Separatistenführer Puigdemont hatte sich im Herbst 2017 nach dem verbotenen Unabhängigkeitsreferendum abgesetzt. Beim Grenzübertritt von Dänemark nach Deutschland wurde er festgenommen. Er kam in Haft in Schleswig-Holstein, wurde aber bald unter Auflagen auf freien Fuß gesetzt. Der spanische Ermittlungsrichter Pablo Llarena warf ihm Rebellion und die Veruntreuung staatlicher Mittel vor und forderte seine Auslieferung. Das schleswig-holsteinische Oberlandesgericht erklärte kürzlich, die Auslieferung wegen des Verdachts der Veruntreuung sei zulässig. Wegen Rebellion könne er aber nicht belangt werden.
"Die Tür zum Dialog und zum Treffen mit uns ist immer offen"
Spanien aber will Puigdemont nun nicht zurück. Der Ermittlungsrichter sagte, er verzichte auf eine Auslieferung. Der nationale Haftbefehl aber gilt weiter, weshalb Puigdemont in Spanien Haft drohen würde. Zudem warf der Ermittlungsrichter der deutschen Justiz vor, "aus einer verfehlten Position heraus" dem Verfahren in Spanien "vorgegriffen" zu haben.
Aller Kritik aus Spanien zum Trotz konnten Puigdemont am Mittwoch mit großem Tross in der Bundespressekonferenz auftreten. In Begleitung von fünf Anwälten stellte er sich Fragen internationaler Journalisten. Ob es ihm Sorgen bereite, dass katalanische Firmen bei einer Abspaltung von Spanien abwandern wollten, wurde da gefragt. "Das ist die Version, die offiziell verkauft wird", antwortete Puigdemont. Die katalanische Wirtschaft sei "stabil und attraktiv", die Unabhängigkeit sei wirtschaftlich "durchaus machbar".
Immerhin, so räumte der Separatistenführer ein, gebe es einen "Klimawandel" im Verhältnis zu Madrid. Der neue sozialistische Ministerpräsident Pedro Sánchez verhandelt mit dem neuen Regionalchef Quim Torra. " Die Tür zum Dialog und zum Treffen mit uns ist immer offen."
Weniger freundlich äußerte Puigdemont sich zu Ermittlungsrichter Llarena, der ihm Untreue vorwarf und die Abgeordnetendiät streichen ließ. Politische Justiz, findet der Separatistenführer. "Wenn dieser Mensch als Richter schon so viele Ungereimtheiten angehäuft hat, wie groß werden erst seine Unstimmigkeiten als Politiker sein." Vorwürfe, wonach katalanische Separatisten gemeinsam mit dem russischen Geheimdienst gegen die EU vorgegangen sein sollen, nannte Puigdemont "Fake News". Hierfür gebe es "keinen einzigen Beweis". Er könne auch nicht erkennen, dass Separatismus die europäische Einheit unterhöhle. Die EU, die sich stetig um neue Staaten erweitere, könne keine "innere Ausweitung um kleine Staaten verbieten", zumal wenn sie "schon zu Europa gehören".