Schwere Unruhen:Kasachstans Präsident erteilt Schießbefehl

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In der kasachischen Stadt Almaty sind bewaffnete staatliche Kräfte im Einsatz. (Foto: Valery Sharifulin/dpa)

Armee und "Sicherheitskräfte" sollten ohne Vorwarnung das Feuer auf militante Demonstranten eröffnen, sagt Kassym-Schomart Tokajew in einer Fernsehansprache.

Nach schweren Unruhen hat der Präsident der autoritär geführten Republik Kasachstan, Kassym-Schomart Tokajew, einen Schießbefehl gegen militante Demonstranten erteilt. Wer sich nicht ergebe, werde vernichtet, drohte er in einer Fernsehansprache. "Ich habe den Sicherheitskräften und der Armee den Befehl gegeben, ohne Vorwarnung das Feuer zu eröffnen", sagte Tokajew. Aus dem Ausland kämen Aufrufe zu einer friedlichen Lösung der Krise. "Welch eine Dummheit! Was für Verhandlungen kann es mit Verbrechern und Mördern geben?", so Tokajew.

Das Staatsoberhaupt erklärte, es hätten insgesamt 20 000 "Banditen" die Millionenstadt Almaty im Südosten des zentralasiatischen Landes angegriffen, wo die Unruhen in den vergangenen Tagen besonders heftig waren. Er bezeichnete Demonstranten auch als "Terroristen" und als aus dem Ausland gesteuert. Derzeit ist es schwierig, Informationen unabhängig zu überprüfen. Immer wieder wird in Kasachstan das Internet abgestellt, die Grenze wurde für Ausländer geschlossen.

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Von Silke Bigalke

Er habe beschlossen, in einigen Regionen die Sperrung des Internets wieder aufzuheben, sagte Tokajew. Russland und andere Nachbarstaaten hätten auf seine Bitte hin Friedenstruppen geschickt. Sie seien inzwischen eingetroffen und blieben vorübergehend im Land, um die Sicherheit zu gewährleisten. Er dankte dem russischen Präsidenten Wladimir Putin für die rasche Hilfe bei der Niederschlagung des Aufstandes. Seinen Dank richtete er auch an China, Usbekistan und die Türkei.

Mindestens 26 getötete Demonstranten

In einer von seinem Büro verbreiteten Erklärung hatte der Präsident vor seiner Ansprache gesagt, dass ein "Anti-Terror-Einsatz" begonnen worden sei. Die "verfassungsmäßige Ordnung" im Land sei wieder weitgehend hergestellt. Auf den Straßen Almatys, der größten Stadt des zentralasiatischen Landes, schienen die staatlichen Kräfte die Lage unter Kontrolle zu haben. Allerdings waren am Morgen in der Nähe des zentralen Platzes erneut Schüsse zu hören.

Am Morgen hatte das Innenministerium mitgeteilt, dass bereits 26 Demonstranten getötet worden seien. Zudem habe es mehr als 3000 Festnahmen gegeben. Befürchtet wurde, dass es nun noch viele weitere zivile Todesopfer geben könnte. Offiziellen Angaben zufolge starben auch mindestens 18 Polizisten und Nationalgardisten.

Auslöser der Unruhen in der autoritär regierten Ex-Sowjetrepublik war Unmut über gestiegene Treibstoffpreise an den Tankstellen. Sie schlugen aber schnell in teils gewaltsame Proteste gegen die Regierung um. Als Reaktion auf die Proteste entließ Präsident Tokajew die gesamte Regierung und verhängte einen landesweiten Ausnahmezustand.

International wächst die Sorge vor einer Eskalation. Die Bundesregierung hat die Äußerungen des kasachischen Präsidenten verurteilt. "Wer ohne Vorwarnung auf Demonstranten schießen lässt, um zu töten, hat den Kreis zivilisierter Staaten verlassen", erklärte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) auf Twitter. Die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann rief zu Besonnenheit auf: "Gewalt kann niemals eine angemessene Antwort sein. Wir fordern daher alle Beteiligten auf, zu deeskalieren und zu einer friedlichen Lösung der Situation zu gelangen."

Am Donnerstagabend telefonierte US-Außenminister Antony Blinken mit seinem kasachischen Kollegen Muchtar Tileuberdi. Blinken habe "die volle Unterstützung der Vereinigten Staaten für die verfassungsmäßigen Institutionen Kasachstans und die Medienfreiheit" bekräftigt, hieß es später aus dem Außenministerium in Washington. Die USA wie auch das Auswärtige Amt sprachen sich für eine friedliche Lösung des Konflikts aus. Aus anderen EU-Ländern kamen Mahnungen, die Gewalt müsse ein Ende haben.

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