Südostasien:Qual ohne Wahl

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Hun Sen, Machthaber in Kambodscha, lässt Kritiker und Gegner seit Jahrzehnten mundtot machen. (Foto: Cindy Liu/Reuters)

Seit 38 Jahren regiert in Kambodscha der Machthaber Hun Sen. Am Sonntag will er sich ein weiteres Mal wählen lassen. Eine echte Alternative haben die Einwohner nicht. Dafür hat Hun Sen gesorgt.

Von David Pfeifer, Bangkok

Am Sonntag sind Wahlen in Kambodscha. Aber eine Wahl haben die Einwohner nicht. Machthaber Hun Sen, seit 38 Jahren im Amt des Premierministers, hat dafür gesorgt, dass es keine Alternative gibt, als ihn zu wählen. Er hat die einzige nennenswerte Konkurrenz im Mai verbieten lassen, die Candlelight Party, die bei den Kommunalwahlen im vergangenen Jahr beachtliche Erfolge erzielte. Seine Gegner und Kritiker macht Hun Sen seit Jahrzehnten mundtot. Nach allem, was man weiß, will er noch einmal die Wahlen gewinnen und dann die Macht an seinen Sohn Hun Manet abgeben.

"Seit dem 8. Januar 1979 bin ich ohne Unterbrechung in der Regierung", prahlte Hun Sen im April. "Einen solchen Fall hat es auf der Welt noch nicht gegeben." Was die Länge der Amtszeit angeht, hat er Machthaber wie Robert Mugabe und Muammar al-Gaddafi überholt. An Ruchlosigkeit steht er den beiden kaum nach, hält sich jedoch geschickter im Amt. Das hat auch mit der Geschichte des Landes zu tun.

Als Schlüssel zu Hun Sens Macht gilt die Loyalität des Militärs

Bis 1975 herrschte in Kambodscha fünf Jahre lang Bürgerkrieg, dann folgte die Schreckensherrschaft der radikalkommunistischen Roten Khmer unter Pol Pot, die ein Viertel der Bevölkerung folterten, verhungern ließen, töteten. Die gesamte Region wurde von einem Stellvertreterkrieg der USA mit China und der Sowjetunion erfasst, von dem die Kämpfe in Vietnam heute am bekanntesten sind. Aber auch Laos und Kambodscha wurden im sogenannten Secret War heftig von den USA bombardiert. Vietnam und das "Demokratische Kamputschea" der Roten Khmer gerieten ihrerseits in einen Konflikt. Der junge Hun Sen, damals Bataillonskommandant der Roten Khmer, lief mit seiner Truppe nach Vietnam über. Nach einer Invasion vietnamesischer Truppen wurde Hun Sen 1985 als Premierminister eingesetzt.

Die USA unterstützten Pol Pots Gegenregierung noch eine Weile - es ging ja gegen die Kommunisten in Vietnam, und damit auch gegen die Marionettenregierung, der Hun Sen vorstand. Erst nach dem Ende des Kalten Krieges sahen die USA die Herrschaft der Vietnamesen in Kambodscha nicht mehr als Problem an. Doch Hun Sen konnte sich sogar an der Macht halten, als die Vereinten Nationen (UN) 1992 die Verwaltung Kambodschas im Rahmen eines Friedensplans und zur Vorbereitung demokratischer Wahlen übernahmen, die Hun Sens Partei 1993 verlor. In der Regierung blieb er trotzdem und wurde 1997 durch einen Staatsstreich zum Alleinherrscher.

Theoretisch gibt es in Kambodscha seit dem UN-Einsatz demokratische Institutionen, eine weitreichende Verfassung und eine florierende Zivilgesellschaft. Es gibt aber auch Hun Sens Herrschaftsapparat, der aus dem Verwaltungsapparat hervorging, der zuerst von Vietnam und dann von der UN und den USA unterstützt worden war. Als Schlüssel zu Hun Sens Macht gilt die Loyalität des Militärs, mit dem er sich politisch und persönlich verbündet hat. Sein Sohn Hun Manet ist Chef der kambodschanischen Armee, er kandidiert am Sonntag zum ersten Mal für das Unterhaus der Nationalversammlung. Das stetige Wirtschaftswachstum half Hun Sen, sich als guten Führer zu inszenieren, er mehrte seinen Reichtum und den seiner Familie und Freunde. In der Hauptstadt Phnom Penh fahren heute Luxus-Limousinen durch Schlaglöcher, das ist die Bandbreite des Wohlstands.

Kritik wird konsequent unterdrückt. Im Februar wurde die Voice of Democracy geschlossen, der letzte unabhängige Nachrichtendienst des Landes, der unliebsam über Hun Manet berichtet hatte. Und vor zehn Tagen hat die kambodschanische Regulierungsbehörde für Telekommunikation die Internetanbieter im Land angewiesen, die Domains von Cambodia Daily Khmer und Radio Free Asia zu sperren, einschließlich ihrer Social-Media-Konten. Beide verbreiten Nachrichten in Khmer und Englisch und haben ihren Sitz außerhalb Kambodschas. In einem Schreiben erklärte die Regulierungsbehörde, die Regierung sperre die Medien, weil ihre Berichterstattung "Verwirrung stiften, die Ehre und das Prestige der Regierung beeinträchtigen und die Betriebsbedingungen des Informationsministeriums nicht erfüllen" würde.

Nach einer Rede von Hun Sen kam es zu Angriffen auf Kommunalpolitiker

Eine weitere Taktik von Hun Sen ist es, Kritiker öffentlich beim Namen zu nennen und ihnen zu drohen. So wie im Januar in einer Rede, die live auf seiner Facebook-Seite übertragen wurde, auf der er 14 Millionen Follower hat, fast so viele, wie es Einwohner in Kambodscha gibt. Dort warnte Hun Sen seine Kritiker, dass sie entweder vor Gericht gehen oder sich verprügeln lassen könnten, wenn sie behaupten, seine Partei habe bei den Kommunalwahlen Stimmen gestohlen. Es kam daraufhin zu Angriffen auf Oppositionspolitiker. Das Aufsichtsgremium der Facebook-Muttergesellschaft Meta löschte das Video und sperrte Hun Sens Konto, da er gegen Metas Regeln über "Gewalt und Aufwiegelung" verstoßen habe. Das war vor ihm nur Donald Trump passiert. Am Mittwoch wurde sein Konto wieder freigegeben.

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Anfang 2023 wurden auch die Wahlgesetze überarbeitet, vermutlich um die Wahlbeteiligung hoch zu halten. Wer bei zwei aufeinanderfolgenden Wahlen nicht wählt, darf nicht mehr kandidieren. Bürger können außerdem wegen "Aufwiegelung" zu einer Geldstrafe verurteilt werden, wenn ihre Ratschläge oder Handlungen andere von der Stimmabgabe abhalten. Auch das Zerstören von Stimmzetteln steht unter Strafe. So kann man, schon bevor die Wahllokale öffnen, davon ausgehen, dass Hun Sens Kambodschanische Volkspartei am Sonntag mit mehr als 90 Prozent bestätigt werden wird. Unabhängige Wahlbeobachter werden keine im Land sein. Die Wahlen sind zu einem Instrument der Unterdrückung geworden, bei dem die Bevölkerung zum Mittäter der eigenen Misshandlung gemacht wird.

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