Jerzy Montag:Der Grüne, dem auch der politische Gegner vertraut

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Der Münchner Anwalt Jerzy Montag saß bis 2013 für die Grünen im Bundestag, jetzt wird er Sonderermittler im Fall Oury Jalloh. (Foto: Maja Hitij/dpa)

Der ehemalige Rechtspolitiker der Grünen, Jerzy Montag, soll als Sonderermittler den Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh untersuchen. Für Außenstehende mag das überraschend erscheinen.

Von Robert Roßmann, Berlin

Kaum ein Todesfall der vergangenen Jahre hat so heftige Debatten ausgelöst wie der von Oury Jalloh: Der Asylbewerber aus Sierra Leone verbrannte 2005 in der Zelle eines Dessauer Polizeireviers. Wer schuld daran ist, dass der gefesselte Jalloh nicht gerettet werden konnte - oder ob er sogar angezündet wurde, all das ist bis heute nicht zweifelsfrei geklärt.

Schuld daran sind auch erhebliche Pannen und Behinderungen bei den Ermittlungen. Jetzt sollen sich zwei Gutachter mit dem Fall beschäftigen. CDU, SPD und Grüne, die in Sachsen-Anhalt gemeinsam regieren, haben sich darauf verständigt, nicht nur den früheren Bundesverfassungsrichter Herbert Landau, sondern auch den ehemaligen Münchner Grünen-Politiker Jerzy Montag zu beauftragen.

Für Außenstehende mag die Personalie überraschend erscheinen. Aber Montag wird unter Rechtspolitikern seit Langem über die Parteigrenzen hinweg geschätzt. Vor vier Jahren hatte ihn das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags im Rahmen der Aufklärung des NSU-Terrors als Sonderermittler eingesetzt. Montag sollte die Umstände des Todes des V-Manns "Corelli" klären.

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Töteten Polizisten den Asylbewerber Jalloh oder hat er sich selbst angezündet? Das will die Landesregierung mit einem "unabhängigen Blick von außen" prüfen lassen.

Für das Amt vorgeschlagen hatte ihn nicht seine Partei, sondern ein Christdemokrat. Dass dem so war, lag nicht nur an Montags Qualitäten, sondern auch an dessen vergleichsweise uneitlem Wesen. Montag sichtet lieber Aktenberge, als sich im Licht der Talkshows zu sonnen. Und er argumentiert lieber langweilig-präzise als schlagzeilenträchtig-zugespitzt. Das schafft auch beim politischen Gegner Vertrauen.

Jerzy Montag wurde 1947 in Kattowitz geboren - als Sohn einer katholischen Mutter und eines jüdischen Vaters. Sein Vater gehörte zu den wenigen Überlebenden des Konzentrationslagers Blechhammer, eines Außenlagers von Auschwitz. In den 50er-Jahren wanderte die Familie nach Deutschland aus.

Montag verbrachte seine Jugend in Mannheim, während des Studiums kam er nach München. 1975 begann er dort als Anwalt zu arbeiten - viele Jahre in einer gemeinsamen Kanzlei mit Werner Dietrich. Dietrichs Lebensthema ist die Aufdeckung der Hintergründe des Oktoberfest-Anschlags. 2014 erreichte er tatsächlich die Wiederaufnahme der Ermittlungen. "Dietrich ist mein bester Freund", sagt Montag.

Nach dem GAU in Tschernobyl trat Montag 1986 den Grünen bei. Im November 1998 wurde er - gemeinsam mit Margarete Bause - Landesvorsitzender in Bayern. 2002 wollte er in den Bundestag, doch obwohl Montag Vorsitzender war, landete er bei der Listenaufstellung im Freistaat lediglich auf dem als aussichtslos geltenden Platz sechs. Nur weil Joschka Fischer die Grünen dann zu einem unerwartet guten Wahlergebnis führte, kam Montag doch noch nach Berlin.

"Der Olaf und ich kämpften da Schulter an Schulter"

Dort reüssierte er schnell als Rechtsexperte. Auf seine Initiative hin wurde etwa der Volksverhetzungsparagraf im Strafgesetzbuch geändert, um die Aufmärsche von Rechtsradikalen am Todestag von Rudolf Heß in Wunsiedel unterbinden zu können. Der Anwalt der Rechtsradikalen legte dagegen umgehend Verfassungsbeschwerde ein. "Jahrelang habe ich gezittert, ob unsere Lösung in Karlsruhe hält", sagt Montag. Doch 2009 billigte das Bundesverfassungsgericht in seiner berühmt gewordenen "Wunsiedel-Entscheidung" die Änderung.

Montag war aber auch Obmann seiner Fraktion im Untersuchungsausschuss zur Visa-Affäre - und damit wichtiger Verteidiger Joschka Fischers, den die Union für die Affäre verantwortlich machte. Obmann der SPD-Fraktion war der heutige Vizekanzler Olaf Scholz. "Der Olaf und ich kämpften da Schulter an Schulter", sagt Montag. Fischer überstand die Affäre.

2013 musste Montag den Bundestag dann wieder verlassen, sein Listenplatz war zu schlecht. Doch im Ruhestand ist er deshalb nicht - nicht nur wegen seiner Aufträge als Sonderermittler. Er ist auch Mitglied des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs.

© SZ vom 16.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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