Was immer jetzt kommt, sie hat bereits Geschichte geschrieben: Mit der 37 Jahre jungen Parlamentsabgeordneten Elly Schlein führt erstmals eine Frau die größte Oppositionspartei in Italien, den sozialdemokratischen Partito Democratico (PD). Die ersten Reaktionen sind entsprechend euphorisch, sogar der politische Gegner zollt ihr Respekt. Die italienische Politik jedenfalls verspricht abwechslungsreicher zu werden.
Schlein ist in fast jeder Hinsicht das Gegenteil von Regierungschefin Giorgia Meloni. Die Vorsitzende der postfaschistischen Fratelli d'Italia kommt aus schwierigen Verhältnissen, hat sich nach oben durchgeboxt und ist stark rechts sozialisiert. Die neue Oppositionsführerin kommt aus einem Intellektuellen-Haushalt, sie ist weltoffen und dezidiert links.
Als Tochter eines italienisch-amerikanischen Professorenpaares ist sie im schweizerischen Lugano geboren und besitzt damit drei Staatsangehörigkeiten. Erst mit 19 Jahren kam sie nach Italien ins Land ihrer Mutter und studierte in Bologna Jura. In den USA hat sie als Mitglied des Obama-Wahlkampfteams gelernt, wie man Wähler begeistern kann und wie wichtig die sozialen Medien sind. Sie ist in der Bürgerrechts- und Protestbewegung zu Hause, sozial-ökologisch ausgerichtet und progressiv - was ihr bereits den Titel "Die Anti-Meloni" einbrachte.
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Bei der Urwahl auf der Strecke geblieben ist Stefano Bonaccini, 56, ein Schlachtross der Partei, der bis zum Wahltag als Favorit galt. Er konnte die klassische Biografie eines Politikers der Arbeiterbewegung vorweisen: Sohn eines Lastwagenfahrers und einer Arbeiterin, in der Jugend sehr links, später eher Realo. Einer, der auch Stimmen von Mitte-rechts holen kann. Schlein dagegen hat in der Vergangenheit Bündnisse mit rechts abgelehnt und es den etablierten Parteifreunden nie leicht gemacht. Einst hat sie die Bewegung #Occupy PD gegründet, um die Partei stärker auf links zu drehen. Als das nicht klappte, trat sie aus der Partei aus und erst vor Kurzem wieder ein.
Dass sie allerdings Wahlen gewinnen kann, hat Schlein schon mehrfach gezeigt: 2014, als sie mit einem sehr respektablen Ergebnis ins Europaparlament gewählt wurde. Und 2020, als sie mit einer Protestgruppierung zu den Wahlen in ihrer Heimatregion Emilia-Romagna antrat und ungewöhnlich viele persönliche Stimmen erhielt. So viele, dass sie sozusagen außer der Reihe zur Vizepräsidentin der Regionalregierung ernannt wurde.
Zwei Frauen, eine rechts, eine links - das verspricht eine klare Alternative
Schlein will den PD wieder attraktiv machen, vor allem für Frauen und junge Wähler, und ihm neues Selbstbewusstsein geben. Dinge, von denen die einst einflussreiche Partei derzeit nur träumen kann, die in den vergangenen zehn Jahren mit Matteo Renzi und Enrico Letta immerhin zwei Regierungschefs gestellt hat. Schlein muss jetzt alles daransetzen, dass ihre Regentschaft nicht Episode bleibt. Sie umgibt sich mit einem jungen Team Gleichgesinnter, aber auch der Wahlverlierer Bonaccini hat Hilfe versprochen.
Gelegentlich hat sie sich auch über Hinweise auf ihr Privatleben von der Traditionalistin Meloni abgesetzt. "Ich bin eine Frau. Ich liebe eine andere Frau und bin keine Mutter, aber deshalb bin ich nicht weniger weiblich", hat sie kürzlich bei einem Auftritt an einem der bekanntesten Orte Roms gesagt, der Piazza del Popolo, und das war direkt gegen Meloni und ihre konservativen bis reaktionären Anhänger gerichtet. Nach der Wahl in der Nacht zum Montag sind es andere Themen, die Schlein in den Vordergrund stellt: den Umgang mit Migranten zum Beispiel, nach dem verheerenden Bootsunglück vor der Küste Kalabriens.
