Matteo Salvini:Katzenbilder vom Sheriff

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Hand aufs Herz, dort prangt das Wort "Polizia": Italiens Innenminister Matteo Salvini versteht sich auf eindeutige Inszenierungen. (Foto: imago/Insidefoto)
  • Es sind nun acht Monate vergangen, seitdem in Rom die Populisten die Regierung übernommen haben, Lega und Cinque Stelle.
  • In Italien nimmt man fast nur noch Innenminister Salvini wahr.
  • In den Umfragen steht die Lega, die bei den Parlamentswahlen am 4. März 2018 nur 17 Prozent der Stimmen gewonnen hatte, nun bei 33 Prozent.
  • Die Cinque Stelle, die 33 Prozent erreicht hatten, liegen derzeit bei 25 Prozent.

Von Oliver Meiler, Rom

Matteo Salvini trägt gerne Kleider der Polizei. Shirts im Sommer, Jacken im Winter, der Schriftzug ist immer gut sichtbar: "Polizia". Wenn der 45-Jährige abends durch Rom joggt, zieht er sich ein Polohemd der Polizei über, den Fotografen sagt er vorher Bescheid. Vor allem aber trägt Italiens Innenminister und Vizepremier von der rechten Lega die Textilien auf seinen vielen Reisen durchs Land, für das Bad in den Massen, beim großen Auftritt vor dem Volk. Das Outfit schreit: Ich kümmere mich um eure Sicherheit, um die Grenzen, um die Nation, vertraut mir nur. Ist das einfach billige Verkleidung? Salvini gebe den Sheriff mit Stern, schreibt die Zeitung La Repubblica voller Ironie. Allerdings: Die Nummer macht ihn gerade unheimlich erfolgreich.

Es sind nun acht Monate vergangen, seitdem in Rom die Populisten die Regierung übernommen haben, Lega und Cinque Stelle. Aber eigentlich regiert nur der Sheriff, er zieht immer schneller. Und wenn er mal auf einen Angriff reagieren muss, bleibt nach seinen Salven in den sozialen Medien vom Angriff wenig übrig.

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In Italien nimmt man fast nur noch Salvini wahr, im Ausland sowieso. Luigi Di Maio, der "Capo politico" der Fünf-Sterne-Bewegung? Weggedrückt. Obschon der Arbeitsminister ja auch Vizepremier ist und doppelt so viele Leute im Parlament sitzen hat wie die Lega, schaffte es Salvini in nur acht Monaten, das Kräfteverhältnis zu kippen. In den Umfragen steht die Lega, die bei den Parlamentswahlen am 4. März 2018 nur 17 Prozent der Stimmen gewonnen hatte, nun bei 33 Prozent. Die Cinque Stelle, die 33 Prozent erreicht hatten, liegen derzeit bei 25 Prozent - Tendenz: schnell sinkend.

Salvinis Aufstieg ist ein politisches Lehrstück

Passiert nichts sehr Überraschendes, dann wird Salvini in diesem Jahr die Europawahlen gewinnen, und zwar deutlich. Fänden vorgezogene Parlamentswahlen statt, wäre die Lega mit großem Abstand stärkste Partei im Land. Salvinis Aufstieg ist ein politisches Lehrstück aus diesen unsteten Zeiten, ein taktisches Meisterstück.

Das begann schon damit, dass er sich vor den Wahlen als Populist erfand, als Mann aus dem Volk, der es dem Establishment zeigen würde: den Lobbys, den Banken, der Europäischen Union. Auch das ist Verkleidung.

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Die Lega, die er seit Ende 2013 anführt, ist die älteste Partei im Land. Sie regierte Italien schon mit der bürgerlichen Rechten von Silvio Berlusconi, als Di Maio noch zur Grundschule ging. In der Lombardei und im Veneto, den wirtschaftlich stärksten Regionen im Land, machen die Gouverneure der Lega einen derart guten Job, dass ihr die liberalen, in alle Welt exportierenden Unternehmer die rassistische Rotzigkeit vergeben. Von wegen böse Elite: Die Lega ist zum Establishment geworden.

Der Rest ist Propaganda, und darin ist Salvini ein Meister. Ein ganzes Team kümmert sich um seine Kommunikation auf den sozialen Netzwerken Facebook, Twitter und Instagram. Es schaltet im Stundentakt harte politische Stellungnahmen, niedliche Tierbilder, oft Fotos von Salvini beim Essen, alles durcheinander. Salvini ist überall, leibhaftig oder im Netz, was ja heutzutage fast dasselbe ist.

Sein zweiter Coup lag darin, dass er die große Schwäche der Cinque Stelle, ihre politische Unerfahrenheit, diese zuweilen drollige Amateurhaftigkeit, als Rampe erkannte - für sich selbst und seine Lega. Zur Erinnerung: Auch der sozialdemokratische Partito Democratico stand nach den Wahlen einmal in Koalitionsverhandlungen mit den Sternen, ließ dann aber davon ab: Man wollte nicht Juniorpartner sein. Salvini dachte eine Ecke weiter, über die Zahlen hinweg, und behandelte den eigentlichen Seniorpartner von Anfang an so, als wäre dieser der Junior.

Der Politprofi Salvini und sein unerfahrener Lehrling Di Maio: Die Asymmetrie der Macht ist so augenfällig, bei jedem Geschäft, jeden Tag, dass sie beinahe komisch wirkt. Bei der Lega, einer streng strukturierten Partei mit Personal für jeden Posten, amüsieren sie sich wohl köstlich. Eine Zeitung zog dafür unlängst einen hübschen Vergleich aus dem Fußball heran: Es sei ein bisschen so wie jeweils im Sommer, wenn erstklassige Teams der Serie A im Trainingslager in Südtirol gegen eine "Auswahl der Dolomiten" antreten.

Bei den vermeintlichen Dilettanten der Cinque Stelle gilt zudem die Regel, dass nach zwei Parlamentsmandaten Schluss ist, und so mag niemand aus der Führungsriege mit Salvini brechen: Gäbe es Wahlen, wären Di Maio und etliche seiner Minister politische Frühpensionäre. Diese Aussicht macht sie erpressbar. Die Lega hingegen schaut gelassen auf mögliche Neuwahlen, sie könnte sich auch wieder mit Forza Italia und den Fratelli d' Italia alliieren, sollte die Konstellation mit den Sternen zerbrechen.

Immigration funktioniert immer

Auch Salvinis dritte Intuition erweist sich als treffend: Immigration, sein Lieblingsthema, funktioniert immer. Wenn es mit anderen Themen nicht so gut läuft, wie kürzlich im Budgetstreit mit Brüssel, wechselt er rasch zum Bewährten: "Stop Invasione", "Geschlossene Häfen", "Zuerst die Italiener" - alles brav mit Hashtag in den sozialen Medien versehen.

Salvini diktiert die politische Agenda mit aufreizender Leichtigkeit, manchmal auch aus dem Urlaub. Vor einigen Tagen, als sich die Bürgermeister gegen sein neues Asylgesetz auflehnten, war er gerade in Bormio in einer Skihütte. Er hielt sich einfach das Handy vor den Kopf und startete einen langen Monolog, live übertragen auf Facebook. Hinter ihm stand seine Tochter, sie streckte ihren Kopf immer mal wieder ins Bild.

So regiert der Sheriff. Das geht auch deshalb so einfach, weil die Opposition, die linke wie die rechte, noch immer wie gelähmt ist von der Wahlniederlage. Die Sozialdemokraten suchen eine neue Führung und gleich auch eine neue Bestimmung, befehden sich aber unterdessen lieber untereinander, als sich Salvini entgegenzustellen. Bisher wenigstens: Für nächsten Samstag sind Großdemonstrationen gegen den Haushalt geplant - "auf allen Plätzen Italiens", wie es in der Ankündigung heißt. Forza Italia wiederum wartet darauf, dass Berlusconi endlich einen Nachfolger bestimmt, stürzt in der Zwischenzeit aber immer tiefer: Acht Prozent der Italiener sagen noch, sie würden die vormals größte Partei wählen. Salvini hat auch die bürgerliche Rechte aufgefressen.

Politisch ist er gerade ohne Konkurrenz: "L'uomo forte", der starke Mann. Er sagt oft: "Mit der Opposition, die wir haben, werde ich 30 Jahre regieren." Seinen Gegnern bleibt nur die Hoffnung, dass Salvini bald der Fluch der Selbstüberschätzung einholt, wie das anderen Schnellaufsteigern und Hochgelobten passiert ist, zuletzt dem Sozialdemokraten Matteo Renzi. Dass er es also übertreibt mit den Slogans, dem Ego, der Dauerpräsenz und dem Verkleiden. Dass er den Italienern irgendwann richtig auf die Nerven geht mit seiner Dauerpräsenz. Noch ist es nicht soweit.

© SZ vom 07.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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