Italien:Seebarsch für den Frieden

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Giuseppe Conte und Beppe Grillo einigen sich auf eine neue Machtverteilung bei den Cinque Stelle, der größten Partei des Landes. Auch die Zeit der "Fahr-zum-Teufel"-Tage ist vorbei.

Von Oliver Meiler, Rom

Die Cinque Stelle feiern den "Pakt des Seebarschs", es ist eine Art Friedensabkommen. Nach monatelangem Machtgerangel und üblen Beschimpfungen übernimmt Italiens ehemaliger Premier Giuseppe Conte den operativen Vorsitz der größten Partei im römischen Parlament. Bei einem Essen in Marina di Bibbona, bei dem es zum Hauptgang Spigola aus dem Ofen mit Gemüse gab, einigte sich Conte mit Beppe Grillo, dem Gründer und Guru der Bewegung, über neue Statuten. Grillo postete ein Bild davon aus seinem Facebook-Konto. Er gibt ein bisschen von seiner Macht ab, bleibt aber "Garant der Werte" der Fünf Sterne.

Conte, der noch immer große Popularität genießt im italienischen Volk, wird nun für vier Jahre das politische Geschäft der Partei in weitgehender Autonomie verantworten - mit der Möglichkeit, ein zweites und dann letztes Mandat anzuhängen. Die Cinque Stelle werden jetzt zum ersten Mal in ihrer zwölfjährigen Geschichte einen physischen Hauptsitz erhalten, an der Via di Campo Marzio in Rom, was als äußeres Zeichen für einen Neuanfang gilt. Im August werden die eingeschriebenen Mitglieder der Partei, so etwas wie Großwähler, in einer Onlineabstimmung über die neuen Statuten befinden. Eine Annahme ist absehbar.

Ziemlich viel soll neu werden, auch die Rhetorik: Die Zeiten aggressiver Verwünschungen sei vorbei. Gemeint ist unter anderem das "Vaffa", Kurzform von "Vaffanculo" (Fahr zum Teufel!), mit dem Grillo einst in Großveranstaltungen, den sogenannten "Vaffa-Days", das alte Establishment aus Politik und Wirtschaft vermaledeite.

Conte will die frühere Anti-System-Partei in die politische Mitte rücken

Überhaupt möchte Conte die frühere Anti-System-Partei in die politische Mitte verschieben, ohne deren ursprünglich ökologische Seele ganz preiszugeben: Die Cinque Stelle haben seit ihrem Sieg bei den Parlamentswahlen im März 2018 eine Menge ihrer alten Umweltkämpfe aufgegeben - und deshalb die Gunst vieler Wähler verloren.

In einem Auftritt auf Facebook verkündete Conte am Wochenende, er werde sich nun mit aller Kraft für die Beibehaltung des Bürgerlohns starkmachen, des umstrittenen "Reddito di cittadinanza", und mit Premier Mario Draghi, seinem parteilosen Nachfolger, über die Justizreform diskutieren. Die Fünf Sterne monieren, die geplante Herabsetzung der Verjährungsfristen gefährde viele wichtige Prozesse und begünstige Verbrecher.

Conte und Grillo lieferten sich zuletzt einen surrealen Machtkampf, was vor allem dem Temperament des Politiker gewordenen Komikers geschuldet war. Grillo sagte von Conte, der habe keine politische Vision und sei auch als Manager unbrauchbar, worauf Conte konterte, Grillo spiele sich wie ein "Padrone" auf, statt ein großherziger Vater zu sein. Die Lösung ihres Konflikts gilt als Beleg dafür, dass keiner der beiden stark genug war, den anderen zu verdrängen. Am Ende braucht Grillo die Popularität Contes. Und Conte braucht die alte, etwas angestaubte Aura des Gründers, das Symbol der Partei und die Kartei der Mitglieder.

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