Vor der Wahl:Israel zeigt sich gespalten

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Schafft er es? Herausforderer Benny Gantz versucht am Montag erneut, Benjamin Netanjahu zu schlagen. (Foto: AFP)
  • In Israel wählen die Menschen an diesem Montag zum dritten Mal innerhalb eines Jahres ein Parlament.
  • Der Likud des amtierenden Ministerpräsidenten Netanjahu und das Bündnis Blau-Weiß des Herausforderers Gantz liegen Umfragen zufolge erneut etwa gleichauf.
  • Das Land, aber auch viele Familien sind gespalten. Die meisten Menschen begründen ihre Wahlentscheidung damit, dafür oder gegen Netanjahu zu sein, der unter Korruptionsanklage steht.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

Zwischen den beiden Kontrahenten liegen nur wenige Kilometer: Benny Gantz hat den Hangar 11 im Hafen von Tel Aviv für die Abschlusskundgebung seines blau-weißen Bündnisses gewählt, Benjamin Netanjahu spricht am Samstagabend bei der Veranstaltung seiner rechtsnationalen Likud-Partei in der Nachbarstadt Ramat Gan. Während Gantz beim Einzug in den Saal Hände schüttelt, verzichtet sein von Anhängern "Bibi" genannter Rivale auf direkten Kontakt - das Coronavirus! Als die Menge "Bibi! König von Israel" zu singen anfängt, wehrt Netanjahu ab. Er sei kein König, sondern müsse gewählt werden und brauche jede Stimme.

Der 70-Jährige, der insgesamt zwölf Jahre lang die Regierungsgeschäfte im Land führt, gibt sich betont locker, als er mit dem Mikrofon in der Hand auf der Bühne auf und ab geht. Sein zehn Jahre jüngerer Herausforderer versucht sich staatsmännisch zu präsentieren und hält seine Rede vom Pult. Beide müssen ihre Anhänger mobilisieren, denn die Israelis sind an diesem Montag zum dritten Mal binnen eines Jahres zur Parlamentswahl gerufen.

Nach den Wahlen im April und September konnte weder der von Netanjahu geführte Block aus rechten und religiösen Parteien eine Regierung bilden noch das Mitte-links-Lager, das von Gantz geführt wird. So weiß das Publikum, was erwartet wird, wenn Netanjahu die Frage in den Saal wirft: "Wollt ihr Tibi oder..." - "Bibi", schallt es zurück. Nach dieser Anspielung auf Ahmad Tibi - einen der Anführer der aus arabischen Parteien bestehenden Gemeinsamen Liste - verweist er darauf, dass Gantz nur mit Hilfe der Araber, die rund ein Fünftel der Bevölkerung ausmachen, eine Regierung bilden könnte. Gantz schließt diese Option allerdings aus.

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Auch er versucht das Publikum einzubeziehen: "Was hättet ihr vor ein paar Jahren gesagt, wenn ich euch erklärt hätte, dass es einen Ministerpräsidenten gibt, der mit drei Anklagen wegen Bestechlichkeit, Betrugs und Untreue konfrontiert ist und deshalb den Staat in drei Wahlen zerrt, um einem Prozess zu entgehen? Hättet ihr das geglaubt?" - "Nein", ruft die Menge. "Die israelische Führung wird angeführt von einem Mann, der wie eine Mafioso agiert", sagt Gantz und prophezeit, dass Netanjahu nach der Wahl alles tun werde, um sich Immunität zu verschaffen und den Prozess, der am 17. März starten soll, zu verhindern.

Netanjahu beschreibt den früheren Armeechef so: "Er ist nett und manche sagen, süß. Aber er ist kein Anführer."

In den Tagen vor der Wahl wurde die Kampagne schmutziger: Dass Gantz "eine Gefahr für das Land" sei, sagte einer seiner Berater in einer heimlich aufgenommenen Tonaufnahme. Sie soll von einem Rabbiner stammen, mit dem sich Netanjahu kurz vor der Veröffentlichung getroffen hat. Kurz danach wurden Aufnahmen eines Beraters Netanjahus publik, der schwärmte, wie "Likuds Hasskampagne" Wähler motiviere. Netanjahus Sohn Yair spielte in sozialen Medien auf mögliche Affären von Gantz an. Er sei erpressbar, weil auf dessen gehacktem Telefon Aufnahmen von sexuellen Handlungen zu finden seien. Er wurde auch bezichtigt, am Bankrott einer Firma schuldig zu sein.

Netanjahu hat in Umfragen jedenfalls eine Aufholjagd geschafft. Sein Likud liegt gleichauf oder knapp vor Blau-Weiß, das die Wahl im September mit einem Mandat Vorsprung gewonnen hatte. Aber Netanjahu fehlen mindestens drei Mandate zur Mehrheit von 61 der 120 Sitze in der Knesset. Likud und Blau-Weiß hätten eine klare Mehrheit, aber Gantz schloss eine Beteiligung an einer Regierung, der Netanjahu angehört, aus. Eine solche Aussage gibt es auch von Avigdor Lieberman, der mit seiner ultranationalistischen Partei Unser Haus Israel einem der beiden Blöcke zur Mehrheit verhelfen könnte.

Nicht nur das Land ist gespalten, auch viele Familien. Beim Schabbat-Abendessen der Kleins an diesem Wochenende waren acht Personen um einen Tisch im Kibbuz HaGoschrim im Norden Israels versammelt. Dort ging es vor allem um die Frage, ob man für die Arbeitspartei stimmen sollte. Die Älteren tun dies, die Jüngeren entscheiden sich für Blau-Weiß. "Nicht aus Überzeugung, sondern damit Bibi weg ist", wie Sohn Ehud erklärt.

Bei Familie Jardi in Rehovot im Zentralraum Israels haben Mutter und Tochter Blau-Weiß und die linke Partei Meretz gewählt und wollen dies wieder tun. Der Vater zögert noch, ob er diesmal erneut seine Stimme Lieberman geben soll. Bei der Familie Rosenblum, die in der Siedlung Naama im Westjordanland lebt, schwanken die Mitglieder zwischen Likud und Jamina, der den Siedlern nahe stehenden Partei von Verteidigungsminister Naftali Bennett.

Auch wenn fast jeder seine Entscheidung damit begründet, für oder gegen Bibi zu sein, so haben die Korruptionsanklagen gegen ihn im Wahlkampf kaum eine Rolle gespielt. Warum? "Die Leute sind müde, davon zu hören, weil jede der beiden Seiten seit Monaten das Gleiche sagt: Wie schlimm oder wie unwichtig das ist", meint der in Tel Aviv lehrende Soziologe Natan Sznaider. Laut einer Umfrage des Israel Democracy Institute stellen sich 30 Prozent der Israelis bereits darauf ein, dass eine vierte Wahl notwendig sein wird.

© SZ vom 02.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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