Israel:Netanjahu träumt von Israel als Energie-Großmacht - doch ein Gericht kippt sein Lieblingsprojekt

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Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erleidet Niederlage vor Gericht. (Foto: dpa)
  • Im Mittelmeer wurden riesige Erdgasvorkommen entdeckt, Israel träumt von einer Zukunft als Energie-Großmacht.
  • Das Oberste Gericht in Jerusalem hat nun allerdings das Abkommen zur Erdgasförderung gekippt.
  • Das ist eine schmerzliche Niederlage für Premier Netanjahu, der viel Kraft in dieses Energieprojekt gesteckt hatte.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Israels Regierung träumt von neuem Reichtum und einer Zukunft als Energie-Großmacht. Die Schatzkiste dazu liegt verborgen im Mittelmeer: Riesige Erdgasvorkommen wurden dort entdeckt, die Ausbeutung hat bereits begonnen. Doch nun ist das Oberste Gericht in Jerusalem mitten hineingegrätscht in das Lieblingsprojekt von Premier Benjamin Netanjahu und hat ein erst im Dezember geschlossenes Abkommen zur Erdgasförderung gekippt.

Der Regierungschef schäumt und klagt, das Urteil sei eine "ernsthafte Bedrohung für die Entwicklung der israelischen Gasreserven". Es drohten Milliarden-Verluste. Die hochfliegenden Träume, so viel ist klar, müssen nun erst einmal einem Realitätscheck unterzogen werden.

Der Richterspruch bezieht sich auf das Erdgasfeld Leviathan, das nach seiner Entdeckung 2010 von Netanjahu als "Geschenk Gottes" gepriesen wurde - und sich nun womöglich als das namensgebende Seeungeheuer entpuppen könnte. Mit bis zu 600 Milliarden Kubikmetern ist es ungefähr doppelt so groß wie das vor Haifas Küste gelegene Tamar-Feld, aus dem bereits Gas zum Festland strömt. Während Tamar jedoch vorrangig zur Sicherung des eigenen Energiebedarfs gedacht ist, soll Leviathan dem israelischen Fiskus möglichst schnell Exporterlöse bringen.

Eine schmerzliche Niederlage für Netanjahu

Dazu hatte die Regierung nach langem Streit ein Abkommen zur Ausbeutung des Leviathan-Gases mit einem Konsortium geschlossen, dem der texanische Konzern Noble Energie und die israelische Delek-Gruppe angehören. Die Unternehmen machten hohe Erschließungskosten geltend und sicherten sich so unter anderem eine "Stabilitätsklausel", der zufolge an dieser Vereinbarung zehn Jahre lang nichts verändert werden dürfe. Kritiker monierten sogleich, es würden hier übertrieben günstige Geschäftsbedingungen geschaffen und wandten sich ans Oberste Gericht. Dies hat nun mit 4:1 Stimmen die Stabilitätsklausel gekippt und der Regierung ein Jahr Zeit gegeben für Korrekturen. Andernfalls sei das gesamte Abkommen hinfällig.

Eine schmerzliche Niederlage ist dies für Netanjahu vor allem deshalb, weil er persönlich enorm viel Kraft in dieses Energieprojekt gesteckt und hemdsärmelig viele Hürden aus dem Weg geräumt hatte. So hatte er sich nicht nur über ein ablehnendes Votum des Wirtschaftsausschusses der Knesset hinweggesetzt, sondern im vorigen November auch noch das Amt des Wirtschaftsministers übernommen, weil sich der Amtsinhaber zierte, ein Veto des Kartellamts gegen das Gasgeschäft zu überstimmen.

Als erster Regierungschef erschien er schließlich im Februar auf eigenen Wunsch vor dem Obersten Gericht, um dort das Abkommen als "alternativlos" zu verteidigen. Allzu viel Eindruck hat dies aber offenbar nicht hinterlassen.

Gegner des Energieprojekts kritisieren den Ausverkauf nationaler Reichtümer

Jubeln darf nun die Opposition. Schelly Yachimovich von der Arbeitspartei stellte fest, "es gibt noch Richter in Jerusalem". Die Stabilitätsklausel sei "von Anfang an hässlich und unlogisch gewesen". Zehava Gal-On von der linken Meretz-Partei glaubt, das Gericht habe die Regierung daran gehindert, Israel zu einem Dritte-Welt-Land zu machen. Bestätigt fühlen dürfen sich überdies all jene Demonstranten, die im vorigen Jahr monatelang jede Woche auf die Straße gegangen waren, um gegen den "Ausverkauf der nationalen Reichtümer" zu protestieren.

Der Ausbeutung des Leviathan-Feldes, aus dem von 2019 an Gas geliefert werden sollte, droht nun zumindest eine zeitliche Verzögerung. Netanjahu warnt bereits, "Israel wird als ein Land mit exzessiver gerichtlicher Einmischung wahrgenommen, in dem es schwer ist, Geschäfte zu machen". Er kündigte an, "wir werden andere Wege suchen, um den schweren Schaden an Israels Wirtschaft durch dieses seltsame Urteil zu überwinden".

Als Erstes wird die Regierung nun wieder in Verhandlungen mit dem Konsortium treten müssen. Doch Zeit ist Geld, auch in diesem Fall - und obendrein droht nun auch noch ein Nachteil im Wettlauf mit der Konkurrenz. Denn kürzlich ist vor Ägyptens Küste ein Gasfeld namens Zohr entdeckt worden, das deutlich größer und damit attraktiver sein soll als Leviathan.

© SZ vom 29.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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