Gesetzesänderungen:Israel beschließt umstrittenes Gesetz zur Justizreform

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Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am frühen Dienstagmorgen im israelischen Parlament in Jerusalem. (Foto: Maya Alleruzzo/AP)

Ministerpräsident Netanjahu spricht von einem "großartigen Tag", die Opposition im Parlament schwört, "für die Seele der Nation zu kämpfen".

Das israelische Parlament hat am Montag trotz Massenprotesten den Weg für eine umstrittene Überarbeitung des Justizsystems freigemacht. "Eine großartige Nacht und ein großartiger Tag", schrieb Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nach der Abstimmung auf Twitter. Das Parlament hatte lange gestritten, bevor die vorgeschlagenen Änderungen in erster Lesung angenommen wurden.

Zwei Reformen konnte Netanjahu mit seiner absoluten Mehrheit von 64 der 120 Sitze in der Knesset durchsetzen: Eine stärkt den Einfluss der Regierung bei der Auswahl der Richter, die andere schränkt die Befugnisse des Obersten Gerichtshofs ein, Gesetze zu kippen. Die Änderungen seien dazu gedacht, die Einmischung eines nicht repräsentativen Obersten Gerichtshofs in die Politik zu beenden, erklärte die Regierung.

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Kritiker sagen, der wegen Bestechung angeklagte Netanjahu strebe Gesetzesänderungen an, die Israels demokratische Kontrollen und Gleichgewichte beeinträchtigen, die Korruption fördern und zu diplomatischer Isolation führen würden. Die Opposition im Parlament kündigte an, "für die Seele der Nation zu kämpfen", Zehntausende gingen am Abend gegen die Reformen auf die Straße. Umfragen hatten ergeben, dass die meisten Israelis eine Verlangsamung der Reformen wünschen, um einen Dialog mit Kritikern zu ermöglichen - oder keine Reformen wollen.

Polizei nimmt acht Demonstranten fest

Zuvor hatten Demonstranten versucht, Abgeordnete der Netanjahu-Koalition an ihrem Aufbruch zur Knesset zu hindern. Nach Angaben der Polizei wurden acht Personen wegen ungebührlichen Verhaltens festgenommen und der Verkehr umgeleitet, nachdem Demonstranten einige Straßen blockiert hatten.

Angesichts des Reformstreits haben viele Wirtschaftswissenschaftler und führende Vertreter der Hightech-Branche und des Bankensektors vor einer Flucht von Investoren und Kapital aus Israel gewarnt. "Es gibt keinen Zusammenhang zwischen den Justizreformen und einem Schlag für Israels Wirtschaft", wies der Vorsitzende des Finanzausschusses der Knesset, Moshe Gafni, die Warnung zurück. Jeder Versuch einer Verknüpfung sei politisch motiviert.

Israels Staatsoberhaupt, Präsident Isaac Herzog, hatte Regierung und Opposition wiederholt zu Kompromissgesprächen aufgefordert. Beide Seiten haben zwar ihre Bereitschaft bekundet, sind sich aber über die Bedingungen uneins.

© SZ/Reuters/laug - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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