Nahostkonflikt:Der Ruf des Zorns

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Eine anti-israelische Demonstration in der irakischen Hauptstadt Bagdad. (Foto: Anmar Khalil/AP)

Zehntausende Menschen von Ägypten bis Pakistan sind dem Aufruf der Hamas gefolgt und auf die Straßen gegangen. Auch in Berlin versammeln sich Unterstützer Palästinas, es kommt zu mehreren Festnahmen.

Es soll ein "Tag des Zorns" sein, den die Hamas groß angekündigt hat. Chalid Maschal, führender Vertreter der Terrororganisation, rief am Mittwoch zur Unterstützung der Palästinenser zu Protesten "auf den Plätzen und in den Straßen der arabischen und islamischen Welt" auf. Zehntausende Menschen folgten dem Aufruf, wie etwa in der irakischen Hauptstadt Bagdad. Dort kamen Tausende Menschen auf einem zentralen Platz zusammen und schwenkten palästinensische Flaggen. Skandiert wurden Parolen gegen Israel und die USA.

In Ägypten etwa protestierten Gläubige nach dem Freitagmittagsgebet in der Al-Azhar-Moschee, einer wichtigen islamischen Stätte in Kairo, berichtete die Zeitung al-Shorouk online. Die Zeitung veröffentlichte Bilder von einigen Demonstranten, die im Hof der Moschee die palästinensische Flagge entfalteten, und zitierte sie mit den Rufen "Mit Seele und Blut opfern wir für al-Aksa", eine Anspielung auf die drittheiligste Stätte des Islam in Jerusalem. Ägypten schloss 1979 als erstes arabisches Land einen Friedensvertrag mit Israel. Kairo hat in früheren Konflikten zwischen Palästinensern und Israel vermittelt.

In Jordanien, das ebenfalls diplomatische Beziehungen zu Israel unterhält, gingen Tausende Demonstranten auf die Straße. Sicherheitskräfte zerstreuten Demonstranten, die versuchten, das Grenzgebiet zum palästinensischen Gebiet im Westjordanland zu erreichen. Ein im Regionalfernsehen Al-Arabiya ausgestrahltes Video zeigte, wie Tränengas eingesetzt wurde, um Demonstranten zurückzudrängen. Demonstranten versammelten sich am Freitag auch im Zentrum von Amman und anderen Provinzen des Königreichs, um ihre Solidarität mit Gaza auszudrücken. Ähnliche Demonstrationen hat es auch Yogyakarta in Indonesien gegeben.

Auch in der jordanischen Hauptstadt Amman kommt es zu Protesten. (Foto: ALAA AL SUKHNI/REUTERS)

Eine Demonstration in einer ähnlichen Dimension hat es auch in Pakistan gegeben. Auch dort sind Zehntausende Menschen auf die Straßen gezogen. Der Vorsitzende der einflussreichen islamistischen Partei Jamaat-e-Islami, Sirajul Haq, sagte vor aufgebrachten Anhängern in der Millionenstadt Lahore: "Wir sind zu jedem Opfer bereit und werden weiterhin die muslimischen Brüder und Schwestern in Palästina unterstützen."

Ein Mitarbeiter der israelischen Botschaft in Chinas Hauptstadt Peking soll am Freitag angegriffen worden sein. Der Mann befinde sich in einem stabilen Zustand im Krankenhaus, teilte das israelische Außenministerium mit. Die Attacke habe sich aber nicht auf dem Gelände der Botschaft ereignet, hieß es in der Erklärung. Angegriffen wurde er demnach in einem Bereich, in dem sich mehrere andere Botschaften befinden. Eine Untersuchung des Angriffs sei im Gange, heißt es weiter.

Trotz Verbot: Polizei geht gegen propalästinensische Demo in Berlin vor

Auch in Europa ist es zu mehreren Auseinandersetzungen gekommen. In der Nacht zu Freitag hat die französische Polizei in Paris eine verbotene propalästinensische Versammlung mit Tränengas und Wasserwerfern aufgelöst. Trotz eines Verbotes waren mehrere Hundert Menschen im Zentrum der Stadt zusammengekommen. Sie skandierten "Israel Mörder" und bezeichneten den Präsidenten Emmanuel Macron als "Komplizen".

In den vergangenen Tagen kam es auch in Deutschland zu propalästinensischen Demonstrationen, bei denen die Gewalt der Hamas gegen israelische Zivilisten verherrlicht wurde. Um solche Szenen zu verhindern, hat die Polizei in Berlin eine weitere geplante palästinensische Demonstration am Freitagnachmittag verboten. Dennoch musste die Polizei gegen Menschenansammlungen im Berliner Stadtbezirk Neukölln vorgehen. Nach Beobachtungen der Deutsche Presse-Agentur haben sich etwa hundert Menschen auf der Sonnenallee versammelt, teils mit Palästinenser-Fahnen oder -Symbolen. Die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort und sperrte eine Kreuzung mit Flatterband ab. Es habe drei Festnahmen gegeben.

Gegen israelfeindliche Parolen will die Berliner Staatsanwaltschaft rigider vorgehen. Die Verwendung der oft verwendeten Parole "From the River to the Sea, Palestine will be free" werde jetzt von der Staatsanwaltschaft als strafbar eingeordnet, sagt eine Polizeisprecherin der Deutschen Presse-Agentur. Mit dem Satz ist gemeint, es solle ein freies Palästina geben auf einem Gebiet vom Jordan bis zum Mittelmeer - dort, wo sich jetzt Israel befindet.

In München hat die Stadt einen für Freitagabend geplanten "Protestmarsch" der Gruppierung "Palästina spricht" durch die Innenstadt verboten. Für eine weitere angezeigte propalästinensische Versammlung mit 250 Personen auf dem Marienplatz am Samstag werde ebenfalls ein Verbot vorbereitet. Auch in Frankfurt und Kassel und weiteren deutschen Großstädten wurden Verbote für propalästinensische Kundgebungen ausgesprochen.

Am Hamburger Hauptbahnhof ist es am Freitagabend zu vereinzelten Auseinandersetzungen zwischen propalästinensischen Demonstranten und der Polizei gekommen. Die Polizei brachte mehrere Demonstranten zu Boden, wie ein dpa-Reporter beobachtete. Eine geplante Kundgebung unter dem Motto "Solidarität mit Rojava und Palästina" am Hauptbahnhof war zuvor untersagt worden, doch hatte die Polizei angesichts eines Aufrufs in sozialen Netzwerken spontane Versammlungen nicht ausgeschlossen.

Nach dem beispiellosen Angriff der islamistischen Hamas auf Israel und der darauf folgenden Militäroperation des Landes im Gazastreifen hatte sich die Polizei am Freitag auf Proteste vorbereitet und auch jüdische Einrichtungen in der Stadt besonders geschützt.

Die Demonstranten am Hauptbahnhof schwenkten Palästinenserflaggen und skandierten: "Free, Free Palestine", vereinzelt auch "Hoch die internationale Solidarität". Die Beamten sperrten den Bereich ab, um zu verhindern, dass weitere Demonstranten sich dem Aufmarsch anschließen konnten. Die Polizei bot den Protestierenden später an, die Versammlung stattfinden zu lassen, sollte sich ein Versammlungsleiter melden - dies geschah jedoch nicht. Die Polizei sprach von etwa zwei Dutzend Demonstranten. An den Protesten waren vor allem junge Männer beteiligt, aber auch einige Frauen mit Kopftüchern.

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