Islam:Ditib ist umstritten - aber als Partner alternativlos

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Nachtgebet in der Ulu Moschee in Markt Schwaben. Auch diese Moschee gehört zum staatsnahen türkischen Moscheeverband Ditib. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Deutsche Politiker werfen dem Moscheeverband vor, Sprachrohr Erdoğans zu sein. Nur: Die Abhängigkeiten waren lange bekannt - doch man schätzte die Verlässlichkeit von Ditib.

Von Deniz Aykanat und Jan Bielicki, München

Die Kritik kommt aus der CDU, sie kommt aus der SPD, von den Grünen und von den Linken. Immer schärfer wird die Debatte um die Rolle von Ditib, Deutschlands größtem Moscheeverband, geführt. Und immer öfter die Frage gestellt, wie der Staat mit den Ditib-Gemeinden umgehen soll. Kann die "Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion", wie Ditib ausgeschrieben heißt, noch Partner staatlicher Stellen sein, wenn es etwa um den islamischen Religionsunterricht in den Schulen geht? Oder hat sich Ditib als Sprachrohr des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan diskreditiert? Von Hannover bis Mainz gehen Politiker auf Distanz zu dem Verband, der bundesweit etwa 900 Moschee-Gemeinden vertritt.

In Niedersachsen hat die CDU am Dienstag angekündigt, aus den Gesprächen mit Ditib und einem zweiten islamischen Landesverband, der Schura, über einen Staatsvertrag auszusteigen. Fraktionschef Björn Thümler begründete den Gesprächsstopp damit, dass Ditib "in starkem Maße von der türkischen Regierung beeinflusst und gesteuert" werde. Ditib wies "sämtliche Unterstellungen der Fremdsteuerung" zurück, und zwar "aufs Schärfste". Mit der Religionsbehörde Diyanet in Ankara, dem türkischen Ministerpräsidenten Binali Yıldırım direkt unterstellt, verbinde Ditib lediglich eine "Kooperation".

Tatsächlich predigen in den Ditib-Moscheen bundesweit insgesamt 970 Vorbeter - sie sind aus Ankara abgeordnete und bezahlte Beamte der Religionsbehörde. Auch die sogenannten Religionsbeauftragten in jeder Gemeinde beziehen laut einem Ditib-Sprecher ihr Gehalt aus Ankara. Zudem sitzen in allen wichtigen Ditib-Gremien Diyanet-Vertreter, so steht es in der Vereinssatzung. "Sie bilden auch die Mehrheit in der Mitgliederversammlung", sagt Susanne Schröter, Direktorin des Forschungszentrums Globaler Islam in Frankfurt, "Ditib ist definitiv nicht unabhängig."

Diese Abhängigkeiten waren allerdings lange bekannt. Deutsche Politiker sahen dennoch lange wohlwollend auf Ditibs offensichtliche Nähe zum türkischen Staat, verhieß diese doch politische Verlässlichkeit. Nun, da Erdoğan nach dem gescheiterten Putschversuch Tausende in der Türkei verhaften lässt, wachsen die Vorbehalte.

"Schulunterricht durch Imame ist daher bei uns ausgeschlossen"

In Rheinland-Pfalz will Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) nun kritisch überprüfen lassen, ob die Landesregierung Ditib weiter an Gesprächen beteiligt, in denen es um die Ausgestaltung des islamischen Religionsunterrichts geht. Sie stellte klar, dass an den Schulen nur Lehrkräfte des Landes unter staatlicher Schulaufsicht lehren dürften: "Schulunterricht durch Imame ist daher bei uns ausgeschlossen." Hessens Kultusminister Alexander Lorz (CDU) will dagegen an der Zusammenarbeit mit Ditib festhalten. An hessischen Schulen erteilen Ditib-Lehrer seit drei Jahren islamischen Religionsunterricht. Sie würden dabei regelmäßig von den staatlichen Schulbehörden überprüft, sagte ein Sprecher des Kultusministers.

In Nordrhein-Westfalen dagegen unterrichten staatliche Lehrer islamische Inhalte, beobachtet von einem Beirat, in dem auch ein Ditib-Mann sitzt. Diese Regel ist bis 2019 befristet. Ob die muslimischen Verbände dann als Religionsgemeinschaften anerkannt werden und Ditibs Einfluss damit steigt, wird derzeit überprüft. Dabei spiele "die Frage der Abhängigkeit dieses Verbandes von der Türkei eine wichtige Rolle", heißt es in der Düsseldorfer Staatskanzlei.

Auch in Niedersachsen geht es um den Religionsunterricht, zudem um islamische Feiertage und ein gemeinsames Vorgehen gegen den Missbrauch der Religion durch islamistische Extremisten. Nach jahrelangen Gesprächen hatten sich Landesregierung und Muslim-Verbände im Juni auf den Text eines Staatsvertrags geeinigt. Nach Hamburg und Bremen wäre Niedersachsen erst das dritte Bundesland mit einer solchen vertraglichen Regelung, die vor einem Jahrzehnt Christian Wulff (CDU), damals noch Ministerpräsident in Hannover, ins Spiel gebracht hatte.

Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) ließ erklären, die rot-grüne Landesregierung habe "nach wir vor ein großes Interesse an einer Fortführung der Verhandlungen". Gerade jetzt sei der Abschluss des Vertrages wichtig, um Missbrauch des Islams zu extremistischen Zwecken und einer Muslimfeindlichkeit entgegenzuwirken, sagte sie.

Schwierig genug waren diese Gespräche ja. Im April standen sie auf der Kippe, nachdem beim Schura-Verband ein Vertreter der Islamischen Gemeinschaft Milli Görus (IGMG) ans Ruder gekommen war. Die IGMG, Erdoğans Regierungspartei AKP ideologisch nahe, wird von einigen Verfassungsschutzämtern beobachtet - zuletzt allerdings rückten immer mehr Landesämter von diesem Extremismus-Verdacht ab.

Die Verbände vertreten einen eher konservativen Islam

Dass Ditib ein bislang so wichtiger Ansprechpartner für die deutsche Politik war, hat noch einen Grund: Es gibt praktisch keine Alternativen zu den vier größeren Verbänden. "Politiker in Deutschland sind es gewohnt, in Kirchenmodellen zu denken", erklärt die Wissenschaftlerin Schröter. Die Verbände, die wie Ditib diesem Modell organisatorisch am nächsten kommen, vertreten allerdings alle einen eher konservativen Islam. Liberalere Verbände sind entweder winzig oder sie vertreten Religionsgemeinschaften, die wie die Aleviten oder die Ahmadiyya nicht der sunnitischen Hauptströmung des Islam angehören.

Für wie viele Muslime die Verbände wirklich stehen, ist kaum abzuschätzen. Ditib behauptet auf seiner Homepage, 70 Prozent der in Deutschland lebenden Muslime zu vertreten. "Nur 20 Prozent der Muslime in Deutschland sind überhaupt organisiert", sagt dagegen Schröter, "und davon auch nicht alle bei Ditib."

© SZ vom 04.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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