Das war nicht unbedingt nötig. Doch kaum zwei Stunden im Amt, irritiert Hans-Peter Friedrich, der neue Innenminister, die islamische Gemeinde in Deutschland mit diesem Satz: "Dass der Islam zu Deutschland gehört, ist eine Tatsache, die sich auch aus der Historie nirgends belegen lässt."
Es ist nicht das erste Mal, dass Friedrich sich so äußert. Als Landesgruppenchef der CSU im Bundestag hat er so auf die Rede des Bundespräsidenten Christian Wulff zum Tag er Deutschen Einheit am 3. Oktober reagiert. Wulff hatte in der Rede gesagt: "Der Islam gehört zu Deutschland."
Als Landesgruppenchef mag das noch in Ordnung sein. Als Innenminister aber ist Friedrich auch für Integration zuständig. Da erscheint es als nicht besonders konstruktiv, sich gleich am ersten Tag mit dem Bundespräsidenten anzulegen.
Er selbst sieht jedenfalls "keinen Grund, meine Auffassung von damals zu verändern". Vielleicht muss ihm zugutegehalten werden, dass der Wechsel in das Ministeramt auch für ihn etwas schnell und vor allem überraschend kam.
Die Reaktionen lassen nicht lange auf sich warten. Kenan Kolat, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland, sagte zu sueddeutsche.de: "Ich bin enttäuscht von dieser ersten Aussage. Sie steht im Widerspruch zu seiner Aufgabe als Vorsitzender der Islamkonferenz." Unter den Muslimen in Deutschland "kommt das nicht gut an". Der neue Innenminister "wäre gut beraten, der Linie seiner Vorgänger zu folgen, dass der Islam Teil der Bundesrepublik Deutschland ist".
Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, findet: "Europa hat eine ganze Reihe von eindeutigen historischen Bezügen zum Islam und der islamischen Welt. Niemand kann das ernsthaft leugnen." Die Muslime seien "hierzulande eine nicht mehr wegzudenkende gesellschaftliche Gruppe. Deswegen ist die Aussage des Bundespräsidenten mehr als richtig."
Wiefelspütz: "Blödsinn"
Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz bezeichnete die Äußerungen des neuen Innenministers zum Thema Islam als "Blödsinn" und "groben Unfug". Friedrich beginne sein Amt mit einer "völligen Fehleinschätzung", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. "Herr Friedrich sollte die Scheuklappen ablegen und sich mit der Wirklichkeit unseres Landes auseinandersetzen." Dies sei kein guter Start des neuen Innenministers.
Für Grünen-Chef Cem Özdemir offenbart Friedrich ein "krudes Gesellschaftsverständnis", wenn er Menschen muslimischen Glaubens zugestehe, Teil Deutschlands zu sein und zugleich erkläre, der Islam sei es aus historischen Gründen nicht. Es sei "zumindest zweifelhaft", ob Friedrich bereit und in der Lage sei, den Dialog über die Integration des Islam unter dem Dach des Grundgesetzes glaubwürdig fortzuführen.
"Schädlich für Deutschland"
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast meint, der Satz des Bundespräsidenten zum Tag der Deutschen Einheit habe Türen aufgestoßen in Deutschland und auch in der Türkei. Rückwärts sollte es nun nicht gehen: "Das wäre schädlich für Deutschland." Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck sagte: "Dass der Islam zu Deutschland gehört, ist eine Tatsache, die sich aus der Realität ergibt."
Auch Friedrichs Koalitionspartner in Berlin, die FDP, sieht die Äußerungen des CSU-Politikers kritisch. Der Innenexperte der Liberalen, Hartfried Wolff, erklärte, Friedrichs Aussage sei für den interkulturellen Austausch ein eher schlechter Start."
Noch vor der Pressekonferenz, in der CSU-Chef Horst Seehofer den neuen Mann an der Spitze des Innenressorts an diesem Donnerstag vorstellte, wurde Seehofer gefragt, ob sich Friedrich als dritter Bundesinnenminister der CSU an seinen Parteifreunden im Amt orientieren werde - wie an dem als Hardliner bekannten Friedrich Zimmermann, der in den achtziger Jahren im Amt war. Seehofer winkte ab. Die Zeiten des "Hau drauf" seien lange vorbei.
Das wäre nach Tag eins des neuen Innenministers allerdings noch zu beweisen.