Indien:Wahlkampf mit Hassreden und Mangos

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Die Wahlen in der bevölkerungsreichsten Demokratie der Welt finden in mehreren Phasen statt. Eine Frau registriert sich zur Stimmabgabe in der Stadt Barmer im indischen Bundesstaat Rajasthan. (Foto: Elke Scholiers/Getty Images)

Der Ton verschärft sich in der zweiten Phase der größten demokratischen Wahlen der Welt. Regierung und Opposition greifen einander hart an. Am Freitag wird wieder abgestimmt.

Von David Pfeifer, Bangkok

Am Freitag gehen die Wahlen in Indien in die zweite Phase. In 13 Bundesstaaten wird über weitere 88 Sitze im Parlament abgestimmt. Unter anderem wird im Wahlkreis von Rahul Gandhi gewählt, dem prominentesten Gesicht der altehrwürdigen, aber angeschlagenen Kongresspartei. Ein anderer populärer Oppositionspolitiker, Arvind Kejriwal, sitzt derweil in Delhi im Gefängnis. Am Dienstag wurde seine Untersuchungshaft bis 7. Mai verlängert.

Bis Juni dauern die größten demokratischen Wahlen der Welt noch an, in denen 986,8 Millionen Menschen für mehr als 2600 Parteien stimmen können. Premierminister Narendra Modi, der in Meinungsumfragen vorn liegt, will eine dritte Amtszeit und eine Mehrheit für sein Regierungsbündnis erringen. Mit allen Mitteln, wie es scheint.

Einem Oppositionspolitiker soll in Haft das Insulin vorenthalten worden sein

Der inhaftierte Arvind Kejriwal, 55, war mit einer Anti-Korruptionskampagne zum Chef-Minister des Hauptstadtterritoriums Delhi gewählt worden. Seine Aam-Aadmi-Partei (AAP) gehört dem INDIA-Bündnis an, das 27 Parteien der Opposition geschmiedet haben, um der seit 2014 regierenden, Bharatiya-Janata-Partei (BJP) von Modi etwas entgegenzusetzen. Dass Kejriwal im Zusammenhang mit Korruptionsvorwürfen wenige Wochen vor Beginn der Wahlen verhaftet wurde, halten viele Beobachter für politisch motiviert. Allerdings nutzt Kejriwal seine Position überaus geschickt, um aus dem Gefängnis heraus Stimmung zu machen.

Bereits kurz nach seiner Verhaftung kam es zu Protesten in Delhi und im Nachbarstaat Punjab, die sich gegen die BJP-Regierung richteten. Kejriwal bleibt auch aus dem Gefängnis im Gespräch, beispielsweise weil seine Anhänger öffentlich Sorge über seinen Gesundheitszustand äußern, denn Kejriwal ist Diabetiker. So beklagte seine Frau, dass ihrem Mann die notwendigen Insulin-Dosen verweigert werden. "Die Beamten der BJP-Regierung haben ihn absichtlich nicht behandelt", sagte AAP-Chef Saurabh Bharadwaj am Montag in einer Erklärung. Die BJP wiederum warf der AAP vor, auf diese Weise "Sympathien" für ihren Spitzenkandidaten erzeugen zu wollen.

Die indische Behörde für Finanzkriminalität, die Kejriwal verhaftet hat, unterstellt ihm, absichtlich zu viele Mangos und Süßigkeiten gegessen zu haben, um seinen Zuckerspiegel in die Höhe zu treiben, während die Gefängnisbehörde erklärt, Kejriwal habe kein Insulin erhalten, da er die Ärzte während einer Videokonsultation nicht darum gebeten habe. So beschuldigen sich Vertreter der AAP, der BJP und die Behörden gegenseitig, das Vorgehen des jeweils anderen sei politisch motiviert. Am Mittwoch bekam Kejriwal die benötigten Medikamente.

Modi hatte Muslime in einer Rede als "Eindringlinge" bezeichnet

"Phase Zwei des Wahlkampfs endet mit einem bitteren Beigeschmack", schrieb die Zeitung The Hindu am Donnerstag, da der indische Wahlkampf auch an anderen Stellen an Schärfe zulegt. Am vergangenen Sonntag hielt Narendra Modi in Rajasthan eine Rede, in der er nicht mehr nur auf seine Erfolge beim Wirtschaftswachstum hinwies. Er bezeichnete Muslime als "Eindringlinge" und behauptete, dass im Falle eines Wahlsiegs der Kongresspartei der Reichtum des Volkes "unter denjenigen verteilt werden wird, die mehr Kinder haben". Also den Muslimen. Modi fragte die Menschenmenge: "Denken Sie, dass Ihr hart verdientes Geld an Infiltratoren gegeben werden sollte? Würden Sie das akzeptieren?"

Die Opposition warf Modi vor, mit seinen Äußerungen 200 Millionen Muslime in Indien "unverhohlen ins Visier" zu nehmen. Die Kongresspartei reichte eine Beschwerde bei der Wahlkommission ein, da Modis Reden "spaltende, anstößige und bösartige Kommentare auf eine bestimmte religiöse Gemeinschaft" seien und einen "eklatanten und direkten Verstoß gegen die Wahlgesetze" darstellten. Der Vorsitzende der Kongresspartei beschuldigte Modi der "Hassrede".

Im südlichen Bundesstaat Karnataka, in dem am Freitag gewählt wird, gingen BJP-Anhänger in dieser Woche auf die Straße, um gegen den Mord an einer Hindu-Frau zu protestieren. Der Mord sei eine Folge von "Liebes-Dschihad" gewesen, ein Verschwörungs-Begriff, mit dem radikale Hindus muslimischen Männern unterstellen, Hindu-Frauen mit einer Heirat zum Islam zu locken.

Tatsächlich weichen Modis Äußerungen von seiner Praxis ab, sich nicht direkt über Muslime zu äußern, wie Hilal Ahmed am Donnerstag gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters erklärte. Ahmed ist Experte für den politischen Islam, die indische Demokratie und Symbolpolitik in Südasien am Centre for the Study of Developing Societies in Delhi. "Zu Beginn des Wahlkampfs lag der Schwerpunkt auf Entwicklung, Wohlfahrt und dem Umgang mit Randgruppen, während die Hindutva an letzter Stelle stand", sagt Ahmed.

Er führt die Verschärfung der Wahlkampfreden auf eine niedrige Wahlbeteiligung in Gebieten zurück, in denen die BJP bei den vergangenen Wahlen gut abgeschnitten hatte. "Nach der ersten Phase haben sie erkannt, dass sie an ihre angestammten Wähler appellieren müssen." Umfrage-Institute haben auf die Gefahr hingewiesen, die BJP könne sich überschätzen und die Wahlmüdigkeit der Wähler unterschätzen. Der Ton könnte sich in den kommenden Wochen also noch weiter verschärfen.

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