Historischer Friedensschluss:Der Mann, der den verheerenden Krieg beendete

Lesezeit: 2 min

Äthiopiens Premier Abyi Ahmed hat maßgeblichen Anteil am Ende des Konflikts mit Eritrea, der etwa 80 000 Menschenleben kostete. Er schickt sich an, ein Revolutionär zu werden.

Von Bernd Dörries, Kapstadt

Der Witz hätte vor wenigen Wochen vielleicht einen neuen Krieg ausgelöst. Zumindest aber hätte niemand gelacht. Jetzt bogen sich die Bänke beim Staatsbankett in Asmara, Leute klopften sich auf die Schulter, die einen Großteil der vergangenen zwei Jahrzehnte damit verbracht hatten, sich intensiv zu hassen oder gar umzubringen. Jetzt lachte man gemeinsam, als sei nichts gewesen.

"Wundert euch nicht, wenn ihr mich Eritrea loben hört, Präsident Isayas hat mich heute als zusätzlichen eritreischen Außenminister ernannt." So sagte es Äthiopiens Premierminister Abiy Ahmed, 41, am Sonntagabend bei einem Staatsbankett in der eritreischen Hauptstadt Asmara. Einen Tag später unterzeichneten Abiy und der eritreische Präsident Isayas Afewerki einen Friedensvertrag, der einen Krieg beendet, der zwischen 1998 und 2000 etwa 80 000 Tote forderte - und seitdem immer mal wieder in kleinen Gefechten aufgeflackert ist und eine ganze Region destabilisiert hat.

Eritrea und Äthiopien
:Einer der sinnlosesten Konflikte Afrikas geht zu Ende

Zwei Jahrzehnte lang stritten Äthiopien und Eritrea erbittert um ein Dörfchen an der Grenze. 100 000 Menschen kamen ums Leben, viele flüchteten, zum Teil nach Deutschland. Nun schließen die Staaten Frieden.

Jahrzehntelang rüsteten die Armeen auf beiden Seiten auf, verschwand die Jugend im jahrelangen Militärdienst - nun ist alles innerhalb weniger Wochen vorbei. Die beiden Länder nehmen diplomatische Beziehungen auf, Telefon- und Flugverbindungen werden wieder hergestellt und Truppen abgezogen.

Mandela, Obama, Gorbatschow - in Äthiopien werden langsam die Vergleiche für Abyi knapp

"Es gibt keine Grenze mehr zwischen Äthiopien und Eritrea, eine Brücke der Liebe hat sie zerstört", sagt Abiy. Er ist seit drei Monaten der neue Premierminister Äthiopiens und hat in dieser Zeit die Politik mehrerer Jahrzehnte derart auf den Kopf gestellt, dass in der Hauptstadt Addis Abeba so langsam die Vergleiche knapp werden: Nelson Mandela, Justin Trudeau, Barack Obama und Michail Gorbatschow werden genannt, wenn es um die Verdienste von Abiy geht.

Er hat in wenigen Wochen einen autoritären Staat in ein Land verwandelt, das nicht mehr wiederzuerkennen ist. Er hat das Kabinett und die Führung des Militärs ausgetauscht, Zehntausende politische Gefangene freigelassen und die Zensur der Medien beendet. Er hat den Ausnahmezustand aufgehoben und ausländischen Investoren erlaubt, sich an den Staatsfirmen des Landes zu beteiligen.

Der Großteil der 100 Millionen Äthiopier liebt ihn dafür, es gibt aber auch Gruppen, die nicht begeistert sind vom äthiopischen Frühling. Bei einer privat organisierten Massenkundgebung in Addis Abeba vor zwei Wochen, zur der Hunderttausende aus dem ganzen Land zusammenströmten, wurde eine Granate in Abiys Richtung geworfen, zwei Menschen kamen ums Leben. Es war eine Warnung, es nicht zu weit zu treiben. Aus Abiys Sicht gibt es aber kein zurück.

Dabei sah es vor einigen Jahren nicht unbedingt so aus, als würde Abiy zu einer Art Revolutionär werden. Er war ein braver Soldat des Regimes, der an der Grenze zu Eritrea seinen Dienst tat und später einen Geheimdienst gründete, der für die Überwachung des Internets zuständig ist. Irgendwann in dieser Zeit scheint bei ihm aber die Erkenntnis gereift zu sein, dass es auch anders geht.

Das heutige Äthiopien ist ein Vielvölkerstaat, in dessen föderalem System bisher immer die Volksgruppe der Tigray das Sagen hatte, eine Minderheit, die nur etwa sechs Prozent der Bevölkerung stellt, aber die Elite in Militär und Wirtschaft bildet. Gegen diese Vorherrschaft demonstrieren seit Jahren Hunderttausende Jugendliche, vor allem aus der Volksgruppe der Oromo, der Abiy selbst angehört. Es ist das erste Mal in der Geschichte Äthiopiens, dass ein Oromo Regierungschef wurde. Das stößt bei den bisher dominierenden Tigray auf Misstrauen, vor allem, weil Abiy sich gleich daran machte, viele ihrer Vertreter aus Militär und Regierung zu entfernen. Dreht er einfach den Spieß um? Folgt auf die Herrschaft der einen Ethnie einfach die einer anderen? Abiy sagt, er entscheide bei Führungspositionen nur nach Eignung. Die Eignung, sein Land nachhaltig zu verändern, scheint er zu besitzen: Er hat einen Doktortitel in Konfliktmoderation.

© SZ vom 10.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Afrika
:Ein Hoffnungsträger für Äthiopien

Ministerpräsident Abiy krempelt das autoritäre Regime des Landes um. Unter anderem will er besetzte Gebiete an den Nachbarn Eritrea zurückgeben.

Kommentar von Bernd Dörries

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: