Hilfe für Pakistan:"Die Leute müssen erst einmal überleben"

Lesezeit: 2 min

Die Flut in Pakistan ist schlimmer als viele andere Katastrophen, doch es hat lange gedauert, bis die Deutschen spendeten. Maria Rüther von der "Aktion Deutschland Hilft" erklärt, warum.

S. Klaiber

Maria Rüther ist Sprecherin der "Aktion Deutschland Hilft", einem Zusammenschluss von zehn deutschen Hilfsorganisationen. Nicht nur bei ihrer Organisation sind bisher weniger Spenden eingegangen als sonst bei solchen Katastrophen. Beim Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) schätzt man, dass in Deutschland bisher nur bis zu zwei Millionen Euro Spenden zusammengekommen sind. Beim Tsunami in Asien vor sechs Jahren seien dagegen dreistellige Millionensummen zusammengekommen - ähnlich soll es bei dem Erdbeben in Haiti gewesen sein.

Tür ins Nichts: Ein Mann in Pakistan sucht in den Resten seines Hauses nach dem, was übrig geblieben ist von seinem alten Leben. (Foto: dpa)

sueddeutsche.de: Nach Ihren Angaben haben die Deutschen bisher wesentlich weniger für die Flutopfer in Pakistan gespendet als für die Erdbebenopfer dort im Jahr 2005. Warum reagieren die Spender bei einer Flut zurückhaltender?

Maria Rüther: Erstens zeichnet sich das Ausmaß der Katastrophe im Gegensatz zu Erdbeben oder einem Tsunami nur langsam ab. Auch für die Hilfsorganisationen waren die Dimensionen anfangs nicht absehbar - 20 Millionen Menschen sind von der Flut betroffen, ein Viertel der Landesfläche steht unter Wasser. So etwas Extremes haben wir noch nie erlebt. Zweitens ist gerade Urlaubszeit, viele Menschen haben schon Geld für Haiti gespendet - und durch das Unglück bei der Loveparade, das Hochwasser in Ostdeutschland und die Bränden in Russland bekam Pakistan nicht so viel Aufmerksamkeit. Drittens ist das Image des Landes wohl noch schlechter geworden, jeder denkt bei Pakistan erst einmal an eine korrupte Regierung, an Atomwaffen und die Taliban.

sueddeutsche.de: Seit einigen Tagen melden Hilfsorganisationen immerhin steigende Spendeneinnahmen. Womit ist das zu begründen?

Rüther: Wir führen das vor allem auf die Fernsehbilder zurück. Am Anfang sah man in erster Linie Fotos aus dem Krisengebiet. Aber ein Bild ist nie so packend wie ein Film. Wenn man sieht, wie ein Hubschrauber über überschwemmtes Gebiet fliegt und die Menschen ihm die Hände entgegenstrecken und um Hilfe rufen, rührt das ganz anders an.

sueddeutsche.de: Was bedeutet es, wenn ein pakistanischer Bauer erzählt, dass er sein ganzes Vieh verloren hat und seine Felder unter Wasser stehen? Hat er eine Chance, aus eigener Kraft neu anzufangen?

Rüther: Nein. Natürlich versuchen Verwandte und Nachbarn, sich gegenseitig zu helfen. Aber anders als in Deutschland sind viele Pakistaner selbst so arm, dass sie nichts oder nicht viel spenden können. Außerdem ist die Lebensgrundlage einer ganzen Region zerstört: 80 Prozent des Einkommens in den überschwemmten Gebieten stammen aus der Landwirtschaft. Die Ernte dieses Jahres ist vernichtet und das Saatgut fürs kommende Jahr auch. Aber jetzt ist noch keine Zeit, über den Aufbau nachzudenken, jetzt müssen die Leute erst einmal die nächsten Tage überleben. Dazu brauchen sie vor allem etwas zu essen.

sueddeutsche.de: Wie wichtig sind private Spenden im Vergleich zu den staatlichen Hilfen?

Rüther: Ich schätze, dass bei dieser Katastrophe ein Großteil der Spenden von staatlicher Seite kommen werden. Allerdings ist es viel leichter, private Spenden zu verteilen, weil das unbürokratischer und schneller geht.

sueddeutsche.de: Könnte eine schnelle EU-Eingreiftruppe für Naturkatastrophen, wie Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy sie fordert, dazu beitragen, die Hilfen effizienter zu organisieren?

Rüther: Wenn es gut gemacht ist, vielleicht. Ich persönlich fürchte allerdings, dass da wieder eine Struktur geschaffen würde, die die bereits vorhandenen überlagert, also noch mehr Bürokratie bringt. Wichtiger wäre, bestehende Strukturen besser zu nutzen. Die UN zum Beispiel haben vor zwei Jahren beschlossen, für solche Fälle einen Nothilfefonds von zwei Milliarden Dollar einzurichten. Nur: Das Geld ist bis heute nicht eingezahlt worden.

© sueddeutsche.de/dpa/gba - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: