Haiti nach dem Erdbeben:Die Solidarität der afrikanischen Brüder

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Senegal will den Haitianern Land für einen Neuanfang schenken, der von Krieg und Schulden geplagte Kongo verspricht Millionen Dollar.

Arne Perras, Kampala

Zwischen den Menschen in den Trümmerfeldern Haitis und den Bewohnern des weiten afrikanischen Kontinents gibt es historische und emotionale Brücken, die nun, in Zeiten der größten Not, beschworen werden. Zumindest auf einer Seite des Atlantiks, in Afrika. Denn dort gibt es einen Präsidenten, der seine Brüder und Schwestern in Haiti jetzt dazu aufgerufen hat, "heimzukehren".

Tausende warten im Hafen von Port-au-Prince um in Booten nach Jeremie, im Südwesten Haitis zu fliehen. Die Angebote afrikanischer Länder liegen für sie in weiter Ferne. (Foto: Foto: dpa)

Senegals Staatschef Abdoulaye Wade schlägt vor, dass die Erdbebenopfer die Chance bekommen sollten, nach Afrika zu kommen, wo ihre Wurzeln liegen. Die Haitianer hätten sich einst ja nicht selbst auf die Insel verfrachtet, erklärte er.

Schaffung eines eigenen Staates für Haitianer in Afrika

Sie lebten dort vielmehr über Jahrhunderte als Sklaven. Deren Nachfahren hätten heute das Recht, sich in Afrika eine neue Existenz aufzubauen. Senegal würde dafür freies Land zur Verfügung stellen, versprach der Präsident. Und der 83-Jährige geht noch weiter, denn er spricht vom Staate Israel, der auch seine besondere Geschichte habe. Deshalb will er nun bei der Afrikanischen Union einen Resolution einbringen, um auf die Schaffung eines eigenen Staates für die Haitianer zu drängen, "auf afrikanischem Boden, dem Land ihrer Vorfahren".

Wade ist dafür bekannt, dass er manchmal große Visionen entwirft, die kurze Zeit später wieder in sich zusammenbrechen. Andererseits zeigt der emotionale Vorstoß auch, dass das Mitgefühl der Afrikaner für Haiti tiefe Wurzeln hat. Besonders im francophonen Westafrika haben die verheerenden Fernsehbilder aus Haiti und die Not der Opfer, deren Sprache sie verstehen, einen Nerv getroffen.

Andere Gedanken als die Einladung der Afrikaner

Der Vorstoß erinnert an die Anfänge des Staates Liberia, der im 19.Jahrhundert entstand. Dort wurden befreite Sklaven aus Nordamerika angesiedelt, aber die Geschichte der Region zeigt auch, dass das Verhältnis zwischen den Neuankömmlingen aus Nordamerika, die sich als Elite betrachteten, und den einheimischen Afrikanern, spannungsreich und manchmal gewalttätig war.

Wade wischte Kritik an seinen Plänen beiseite. "Es ist möglich, wenn die Haitianer es anstreben", beharrt er. In Haiti allerdings ist die Not noch so groß, dass jetzt erst einmal andere Gedanken im Vordergrund stehen als die Einladung der Afrikaner. Wo gibt es sauberes Wasser, Nahrung, Medizin?

In Haiti waren einst fast eine Million Sklaven tätig, die seit dem 16.Jahrhundert aus Afrika verschleppt wurden und in der Karibik auf den Plantagen schuften mussten. Kaffee und Zucker machte Saint-Domingue, wie es damals hieß, zu einer der reichsten Kolonien Frankreichs. 1804 erlangte das Gebiet schließlich seine Unabhängigkeit.

Kongo verspricht 2, 55 Millionen Dollar

Nicht nur Senegal, sondern auch die Demokratische Republik Kongo macht jetzt von sich Reden, weil sie 2,5 Millionen Dollar Nothilfe für Haiti verspricht. Der Staat ist zwar reich an Ressourcen, aber auch hoch verschuldet.

Der Osten des Landes ist völlig zerrüttet von Jahren des Krieges, Zivilisten leiden unter den Kämpfen zwischen Armee und Rebellen, Soldaten bekommen oft keinen Sold.

Dem britischen Sender BBC sagte Informationsminister Lambert Mende: "Kongo ist nicht bankrott, unsere eigenen Probleme sollten uns nicht daran hindern, einem Bruderstaat zu helfen." Und wenn Haitianer in den Kongo übersiedeln wollten, dann würden sie laut Mende sicher nicht von seiner Regierung zurückgewiesen werden.

© SZ vom 20.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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