Österreich:FPÖ droht mit Rücktritt aller Minister

Johann Gudenus und Heinz-Christian Strache (FPÖ) 2019 in Wien

Johann Gudenus (links) verlässt die FPÖ nach Bekanntwerden des Strache-Videos.

(Foto: dpa)
  • Österreichs Kanzler Kurz will am Montag offenbar die Entlassung von FPÖ-Innenminister Kickl vorschlagen.
  • Für diesen Fall droht die FPÖ mit dem Rücktritt ihrer Minister.
  • Kurz hält es für wahrscheinlich, dass der zurückgetretene Vizekanzler und Ex-FPÖ-Chef Strache wegen der Video-Affäre mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen muss.
  • Zu Straches Nachfolger an der FPÖ-Spitze ist Österreichs Verkehrsminister Hofer bestimmt worden.
  • Der Strache-Vertraute Gudenus tritt mit sofortiger Wirkung aus der FPÖ aus.

Die Regierungskrise in der Koalition aus ÖVP und FPÖ geht auch nach dem Rücktritt von Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) und der Ausrufung von Neuwahlen weiter. Kanzleramtsminister Gernot Blümel von der ÖVP sagte laut österreichischen Medienberichten in der Sendung "ZIB2", er gehe davon aus, dass Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Montag die Entlassung von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen vorschlagen werde.

Von seiner Partei bekommt Kickl Rückendeckung. In einer Pressemitteilung drohte der Parteivorstand mit dem Rücktritt aller FPÖ-Minister im Regierungskabinett, sollte die ÖVP Kickl als Innenminister abberufen wollen.

Kickl hatte Kurz die "Sprengung einer Regierung" vorgeworfen, die in der Bevölkerung "die höchste Anerkennung" genieße. "Die privaten Gespräche von HC Strache und Johann Gudenus, die auf Ibiza illegal aufgezeichnet wurden", schreibt Kickl nun bei Facebook, "sind katastrophal und unverantwortlich." Doch das habe nichts mit der FPÖ zu tun: "Das Bild ist desaströs. Aber es ist eines der zwei Beteiligten und keines der Partei."

Der österreichische Bundeskanzler schließt nicht aus, dass sich sein bisheriger Vizekanzler Strache durch dessen Äußerungen in dem Skandal-Video strafbar gemacht haben könnte. "Die Ermittlungen werden zeigen, was jetzt passiert", sagte Kurz der Bild-Zeitung. "Aber, was er in diesem Video sonst sagt, ist ein großer Skandal, bedeutet das Ende von seiner politischen Tätigkeit und vermutlich auch strafrechtliche Konsequenzen", sagte Kurz. "Was wir auf diesem Video sehen, ist erschütternd: Es geht um Machtmissbrauch, und das ist schwerwiegend und problematisch. Es geht um offene Angebote der Korruption. Und Attacken gegen die freie Presse."

Strache war am Samstag zurückgetreten, nachdem die Süddeutsche Zeitung und der Spiegel am Vorabend ein Video veröffentlicht hatten, in dem er einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte 2017 auf Ibiza öffentliche Aufträge in Aussicht stellte, wenn sie seiner Partei zum Wahlerfolg verhelfe. Strache entschuldigte sich am Samstag. Sein Verhalten in dem Video sei "dumm, unverantwortlich und ein Fehler" gewesen. In einem zunehmend alkoholisierten Zustand habe er "prahlerisch wie ein Teenager" agiert, auch um seine "attraktive Gastgeberin zu beeindrucken".

Zugleich sprach er von einer Falle und einem "politischen Attentat", bei dem er illegal überwacht worden sei. Mit der Frau in dem Video habe er keine weiteren Kontakte unterhalten, von ihr seien auch keine Spenden an seine Partei geflossen. Nach SZ-Informationen hatte aber zumindest Straches Intimus Gudenus noch weiter Kontakt zu der Frau oder ihrem Vertrauten.

Der stark unter Druck geratene FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus, der ebenfalls in dem Video zu sehen ist, verlässt seine Partei. Er gab am Sonntagabend seinen sofortigen Austritt aus der FPÖ bekannt und kündigte an, auch sein Nationalratsmandat niederzulegen.

Zum neuen Vorsitzenden der Partei ist der österreichische Verkehrsminister Norbert Hofer bestimmt worden. Darauf einigten sich die Mitglieder des FPÖ-Bundesparteipräsidiums einstimmig. Diese Entscheidung solle bei der nächsten Sitzung des Bundesparteivorstandes nach der Europawahl formal bestätigt werden, teilte die FPÖ mit.

Kanzler Kurz hatte am Samstagabend das Ende der Koalition von konservativer ÖVP und rechter FPÖ verkündet. Die Regierung werde ihre Arbeit bis zur Wahl aber "in Ruhe fortsetzen". Am Sonntagvormittag kam Kurz mit Van der Bellen zusammen, um über das weitere Verfahren bis zu den angepeilten Neuwahlen zu sprechen. Van der Bellen sagte, er "plädiere für vorgezogene Neuwahlen im September, wenn möglich zu Beginn des Septembers". Kurz sagte nach dem Treffen mit Van der Bellen, das Strache-Video erfordere vollständige Aufklärung, sowohl was Fragen des potenziellen Machtmissbrauchs angehe, als auch Fragen von strafrechtlicher Relevanz.

Teile der österreichischen Opposition fordern, dass alle FPÖ-Minister sofort aus ihren Ämtern entlassen werden. Neos-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger verlangt dies, "damit eben nicht die Monate bis zur Wahl unter anderem dafür genützt werden, Akten zu vernichten und Vertuschungsmaßnahmen zu setzen". SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner fordert, die Minister für Justiz (Josef Moser, parteilos), Verteidigung (Mario Kunasek, FPÖ) und Inneres (Kickl) in der österreichischen Regierung durch Experten zu ersetzen, schreibt Der Standard. Es dürfe kein Zweifel bestehen, dass die Ermittlungen zum Strache-Skandal unabhängig von politischen Einflüssen erfolgen.

In dem Video, das die Regierungskrise ausgelöst hat, ist zu hören, wie Strache und sein Intimus Gudenus einer angeblich reichen Russin einträgliche öffentliche Bauaufträge versprechen, falls sie die österreichische Kronen-Zeitung aufkaufen und ihrer Partei helfen würde. Überdies zeigt Strache ihr offenbar Wege auf, wie sie seiner FPÖ über einen Verein Geld zuschanzen könne, um die österreichischen Gesetze zur Parteienfinanzierung zu umgehen.

Der bekannte österreichische Journalist Armin Wolf twitterte am Sonntagabend, ein anonymer Unternehmer habe "ZIB2" berichtet, er sei im Frühling 2017 von Strache und Kickl aufgefordert worden, über den Verein "Austria in Motion" an die FPÖ zu spenden. Der damalige Vereinskassierer Markus Tschank habe dem Unternehmer die Kontonummer und Statuten des Vereins geschickt und im August 2017 nochmals um eine Spende gebeten. Wolf schrieb bei Twitter, Tschank bestreite, dass jemals Geld aus dem Verein an die FPÖ geflossen sei.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: