Der sozialdemokratische Überraschungskandidat Bernardo Arévalo geht nach einem turbulenten Wahlkampf als Sieger aus der Stichwahl um das Präsidentenamt in Guatemala hervor. Der Außenseiter von der Partei Movimiento Semilla (Bewegung Saatkorn) lag nach Auszählung fast aller Stimmen durch die oberste Wahlbehörde am Sonntagabend (Ortszeit) mit 58,85 Prozent vor der Ex-First-Lady und dreimaligen Präsidentschaftskandidatin Sandra Torres (36,4 Prozent) von der Mitte-links-Partei Nationale Einheit der Hoffnung (UNE).
Der Wahlprozess in Guatemala war von Versuchen der politischen Elite und der Generalstaatsanwaltschaft beeinträchtigt gewesen, den mit der Hoffnung auf Wandel verbundenen Aufstieg Arévalos mit juristischen Mitteln zu stoppen. Die Europäische Union hatte darüber ihre Besorgnis geäußert. Mehrere Kandidaten waren vom ersten Wahlgang aus umstrittenen Gründen ausgeschlossen worden.
Oppositionelle und unabhängige Experten zogen in Zweifel, dass die Wahlen unter fairen Bedingungen stattfanden. Anerkannte frühere Korruptionsermittler im Exil sowie Aktivisten sprachen von einem "Pakt der Korrupten" - einer informellen Allianz zwischen politischen, wirtschaftlichen, juristischen und kriminellen Akteuren zum Schutz der eigenen Interessen.
Im Juni war Arévalo, der gegen die Korruption und Erosion der Demokratie in Guatemala vorgehen will, unerwartet zweitstärkster Kandidat im ersten Wahlgang geworden. Auf dem ersten Platz landete Torres. Der konservative Amtsinhaber Alejandro Giammattei durfte nach einer vierjährigen Amtszeit laut Gesetz nicht erneut antreten.
Der frühere Diplomat, Experte für Konfliktlösung und Abgeordnete Arévalo ist der Sohn des ersten demokratisch gewählten Präsidenten Guatemalas, Juan José Arévalo (1945-1951). Seine progressive Partei war nach den Bürgerprotesten gegen Korruption in Guatemala von 2015 entstanden.
Tausende Menschen verlassen das mit 17 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichste Land Mittelamerikas jeden Monat und versuchen auf der Suche nach einem besseren Leben, über Mexiko in die USA zu reisen. Weitere wichtige Themen für die Guatemalteken sind Kriminalität, Inflation und Arbeitslosigkeit.