Nach Kompromiss:Unruhe bei Sozialdemokraten wegen Grundsteuer

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Vor Beginn eines Treffens laufen die Teilnehmer des Koalitionsauschusses über einen Balkon im Bundeskanzleramt. (Foto: Gregor Fischer/dpa)
  • Die Spitzen von Union und SPD beschließen einen Kompromiss zur Grundsteuer, der in der SPD-Fraktion auf Widerstand stößt.
  • Das Bundesgesetz für Länder wie Bayern zu öffnen, sei "nicht gerecht", rügt Sozialdemokrat Bernhard Daldrup, kommunalpolitischer Sprecher der Fraktion.
  • Außerdem muss der Kompromiss wegen einer Verfassungsänderung noch mit Zweidrittelmehrheit von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden.

Von Robert Roßmann und Mike Szymanski, Berlin

In der SPD-Bundestagsfraktion regt sich Widerstand gegen den Grundsteuer-Kompromiss, der in der Nacht zu Montag von den Spitzen der Regierungskoalition vereinbart worden war. Bernhard Daldrup, kommunalpolitischer Sprecher der Fraktion, kritisiert, dass für Länder wie Bayern nun Öffnungsklauseln kommen sollen, damit sie eigene Wege bei der Grundsteuer gehen können. Dies bedeute "mehr Bürokratie, zersplittert das Recht, belastet die Wirtschaft und ist nicht gerecht", sagte Daldrup der Süddeutschen Zeitung. Es könne "doch nicht wahr sein, dass wir einerseits über gleichwertige Lebensbedingungen reden - und dann bis zu 16 verschiedene Grundsteuermodelle riskieren".

Die Öffnungsklausel hatte in den Verhandlungen mit Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) vor allem die CSU durchgesetzt. Daldrup bezeichnete das Vorgehen des Koalitionspartners als "unverantwortlich". Die CSU nehme "Kommunen und Länder in Haft, um ihre bayerischen Interessen durchzusetzen". Angesichts dieser Lage werde es "sehr schwer", den Forderungen der CSU nachzukommen. Dies nun im Hauruckverfahren durchzusetzen, hält Daldrup außerdem für "nicht seriös". Trotz der Einigung im Koalitionsausschuss besteht er darauf, dass die SPD-Fraktion sich noch einmal ausführlich damit befasst.

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Der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung plädiert für eine bundeseinheitliche Regelung - eine solche lehnt Bayern jedoch strikt ab.

In der SPD-Spitze zeigte man sich am Montag aber zuversichtlich, die Einigung auch in der Fraktion vermitteln zu können. Malu Dreyer, eine von drei kommissarischen Vorsitzenden der Partei, sagte, es handle sich zwar nicht um das "Lieblingsmodell" der SPD. Die Kommunen warteten jedoch darauf, dass die Koalition ein Konzept zur Reform vorlegt, damit die Grundsteuer eine Zukunft habe. In der SPD hieß es weiter, wenn Länder von der Bundesregelung abweichen wollten, müssten sie selbst dafür aufkommen. Es müsse kein anderes Land befürchten, deshalb weniger Geld aus dem Länderfinanzausgleich zu erhalten. Vor allem ärmere Länder hatten befürchtet, dass Sonderwege wie der von Bayern geplante indirekt auch ihre Einnahmen schmälern könnten.

Auch in der Unionsfraktion gibt es Vorbehalte gegen den jetzt gefundenen Kompromiss. Die Abgeordneten hatten das von Scholz ursprünglich vorgeschlagene Modell als viel zu bürokratisch abgelehnt. Bei den Verhandlungen mit Scholz konnten sie aber einige Vereinfachungen durchsetzen. Außerdem begrüßt die Unionsfraktion die jetzt vereinbarte Öffnungsklausel, die es Ländern erlaubt, die Höhe der Grundsteuer auch auf einfacherem Weg zu ermitteln und niedrig zu halten. Es gilt deshalb als sicher, dass der Kompromiss von der Unionsfraktion unterstützt werden wird. Ihr stellvertretender Vorsitzender Andreas Jung sagte, der Kompromiss sei "ein starkes Bekenntnis zu Föderalismus und kommunaler Selbstverwaltung". Damit könne "bezahlbarer Wohnraum gesichert und unnötige Bürokratie verhindert werden". Denn mit der umfassenden Öffnung für eigene Ländergesetze würden "passgenaue Lösungen" ermöglicht.

Um die Öffnungsklausel zu ermöglichen, ist allerdings auch eine Grundgesetzänderung nötig. In der Koalition hoffen sie darauf, im Bundesrat die dafür nötige Zweidrittelmehrheit erreichen zu können. Mehrere ostdeutsche Ländern haben bereits ihre Bereitschaft zur Zustimmung signalisiert. Da am Koalitionsausschuss auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) teilgenommen hat, geht die Union jetzt davon aus, dass auch ihr Land im Bundesrat zustimmen wird. Außerdem wurde auf die schleswig-holsteinische Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) verwiesen. Diese hatte die Einigung der Koalitionsspitzen am Montag begrüßt. Daraus wurde geschlossen, dass es möglich sei, im Bundesrat auch die Bundesländer mit Regierungsbeteiligung der Grünen zu einer Verfassungsänderung zu bewegen.

Im Bundestag benötigt die Koalition allerdings die Unterstützung von Grünen und FDP, um die auch dort nötige Zweidrittelmehrheit zu erreichen. Der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Florian Toncar, sagte, seine Fraktion wolle eine unbürokratische Lösung bei der Grundsteuer. Deshalb werde man jetzt "konstruktiv bewerten, was uns die große Koalition vorlegt". Klar sei aber schon jetzt, dass man zu gemeinsamen Lösungen nur dann finden werde, wenn mit der FDP "auf Augenhöhe" verhandelt werde.

Die Grundsteuer ist mit einem Aufkommen von 14 Milliarden Euro jährlich eine wichtige kommunale Einnahmequelle. Das Bundesverfassungsgericht hatte entschieden, dass die Berechnung der Steuer noch in diesem Jahr neu geregelt werden muss - ansonsten dürfe die Grundsteuer nicht mehr erhoben werden.

© SZ vom 18.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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