Nach Informationen aus Koalitionskreisen will die Bundesregierung das bereits in der zurückliegenden Wahlperiode diskutierte Vorhaben, den Begriff "Rasse" aus dem Grundgesetz zu streichen, nicht weiterverfolgen. Zuerst hatte die Rheinische Post darüber berichtet. Laut der Zeitung ist einer der Gründe für die Aufgabe des Vorhabens auch eine zu komplizierte juristische Umsetzung der Streichung. Indirekt bestätigte die rechtspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Katrin Helling-Plahr, den Bericht mit den Worten: "Eine Änderung der Verfassung braucht nicht nur eine qualifizierte Mehrheit im Bundestag, sondern sollte auch gesellschaftlich breit getragen sein." Solange keine unmissverständliche Formulierung gefunden werde, die auf allgemeine Zustimmung treffe, "kann es richtig sein, bei der bisherigen Formulierung zu bleiben", ergänzte sie.
In Artikel 3 des Grundgesetzes steht derzeit: "Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden." Das Diskriminierungsverbot entstand vor dem Hintergrund des Nationalsozialismus und sollte gerade rassistische Diskriminierung verhindern. Kritiker bemängeln aber, dass die Verfassung mit der bisherigen Formulierung auch die Vorstellung transportiert, dass es tatsächlich menschliche Rassen gibt.
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Der Präsident des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, hatte sich im Vorjahr gegen eine Streichung des Begriffes ausgesprochen. Dieser erinnere an die deutsche Geschichte, vor allem "an die Verfolgung und Ermordung von Millionen Menschen, in erster Linie Jüdinnen und Juden; an die Schrecken der Schoa", schrieb er in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Streiche man diese Erinnerung aus der Verfassung, "werden wir sie irgendwann auch aus unserem Gedächtnis streichen".
Die Union bewertet die Entscheidung der Koalition positiv. Der Justiziar der Bundestagsfraktion, Ansgar Heveling (CDU), sagte der Rheinischen Post: "Es ist gut, dass bei der Ampel die Vernunft gesiegt hat. Für zwanghafte Symbolpolitik mit unabsehbaren juristischen Folgen ist unser Grundgesetz zu schade." Der Rechtsexperte der Unionsfraktion, Günter Krings (CDU), erklärte: Der Versuch, das Grundgesetz an dieser Stelle aus seinem historischen Kontext herauszulösen, sei von vornherein "schädlich und zum Scheitern verurteilt" gewesen. "Die Väter und Mütter des Grundgesetzes haben ihn ganz bewusst in scharfer Abgrenzung von der verbrecherischen und menschenfeindlichen Politik der Nazis in den Verfassungstext geschrieben."
Das Saarland hatte den Begriff "Rasse" derweil am Mittwoch aus der Landesverfassung gestrichen - wie zuvor bereits Brandenburg und Thüringen.