Er trägt Röhrenjeans, Flanellhemd, Jutebeutel und Schnauzer - der Hipster. Der Berliner Tagesspiegel kürte ihn zum Wappentier des 21. Jahrhunderts. So ist es von den Grünen nur konsequent, wenn sie darin ihre neue Wählerklientel entdecken. Doch es handelt sich hier um eine für Parteien höchst problematische Spezies - gilt sie doch gemeinhin als unpolitisch. Wie ködert man ihn also, den Hipster?
Die Partei hat es zunächst ganz sachte angehen lassen. Ein Light-Exemplar tauchte zunächst auf einem der Plakate auf. Das lange Deckhaar hoch gegelt, darunter kurz geschoren, schaut es griesgrämig in die Kamera. Dazu der Spruch: "Eure Schulden will ich nicht". Der Slogan passt durchaus zu der ständig unterstellten Ich-Bezogenheit des Hipsters. Die Partei kokettiert außerdem mit der oft thematisierten Selbstironie, etwa mit dem Slogan"Mensch vor Bank". Auf dem Plakat ist ein gut rasierter junger Mann zu sehen, das Brusthaar schaut keck aus dem T-Shirt-Ausschnitt. Hinter ihm steht eine Sitzbank.
Auch der von den Grünen geforderte und breit diskutierte Veggie-Day lässt sich als weiterer Versuch deuten, den Hipster anzulocken. Doch jetzt hat die Partei ihren bisher dicksten Köder ausgelegt. Die Ikone der Hipster, William Cohn spielt im Kino-Wahlwerbespot mit.
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Er war der Ansager in der mittlerweile abgesetzten Talkshow "Roche & Böhmermann", dem "Wetten Dass" der Hipster. Mit seinem sechziger-Jahre-Outfit sprach er wie kein anderer die Nostalgiefreudigkeit (siehe olle Kassettensammlung vom Flohmarkt) an. Vor der Kamera trug er ein Brillengestell, das auch auf jeder Hipster-Nase sitzt und seine scheußlichen Krawatten bescherten wohl so manchem feuchte Träume. Cohn nahm wohl geformte Worte in den Mund wie "Lendenlafette" oder "basslastige Tanzmusik".
Für die Grünen ist der sonorstimmige William Cohn in die Rolle des Fernseh-Onkels zurückgekehrt. Er sitzt in einem 60er-Jahre-Sessel, auf der Nase wie gewohnt eine dicke Hornbrille, eine Krawatte in verschiedenen Brauntönen um den Hals. In die Kamera hält Cohn ein Tierchen, das für die Grünen stellvertretend für die aktuelle Bundesregierung steht: Die Gastropoda, auch bekannt als gemeine Hausschnecke.
Lichtscheu, ohne Rückgrat, hier handle es sich um ein gemächliches Tier mit Hang zur Vetternwirtschaft, erklärt Cohn. Dazwischen werden passende Szenen von Bundeskanzlerin Merkel, Kristina Schröder oder Horst Seehofer eingeblendet. "Aber keine Sorge, schon im September können wir die Schneckenplage ganz schnell wieder loswerden. In diesem Sinne machen Sies gut, ich machs nämlich auch", sagt er zum Ende des Spots, eine schleimige Gastropoda auf dem Kopf. Der Schneckenvergleich ist billig. Doch er funktioniert, auch wegen William Cohn. Ohne ihn wäre der Einspieler womöglich nur halb so lustig.
Knapp einen Monat dauert es noch bis zu Bundestagswahl und man fragt sich: Was kommt wohl als nächstes? Vielleicht eine Hipster-Olympiade, wie sie jedes Jahr in Berlin gefeiert wird - mit Jute-Beutel-Wetthüpfen und Ray-Ban-Brillen-Weitwurf. Dann sollte sich Jürgen Trittin aber auf jeden Fall wieder einen Schnauzer wachsen lassen.