Grüne und Steinbrück:Vom roten Quälgeist zur Grünen-Hoffnung

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Peer Steinbrück hat die Grünen lange gequält, sie haben gelitten unter seinen narzisstisch bedingten Zwangshandlungen in Nordrhein-Westfalen. Trotzdem kann sich die Partei keinen besseren SPD-Kanzlerkandidaten wünschen. Denn der einstige Grünen-Fresser Steinbrück ist der einzige Sozialdemokrat mit einem Restpotenzial für politische Wunder.

Christoph Hickmann, Berlin

Die SPD hat einen Kanzlerkandidaten, die Grünen sind mit der Auswahl ihrer Spitzen-Wahlkämpfer noch sehr beschäftigt und wissen, wie schnell man sich darüber zerlegen kann.

Das erklärt die Erleichterung, mit der sie die Kür des Herausforderers Steinbrück aufgenommen haben: Kandidat gefunden, Parteichef nicht (oder kaum) beschädigt, Troika-Debatte beendet; so sehen sie das.

Die nächste Frage ist, was die Personalie Steinbrück für die Grünen konkret bedeutet, die frühere nordrhein-westfälische Umweltministerin Bärbel Höhn hat sie mutmaßlich am ehrlichsten beantwortet: Steinbrück sei "sicher nicht unser Wunschpartner", sagte sie.

Das ist verständlich, sie hat mal unter ihm regiert und könnte mit dem Erfahrungsschatz von damals jederzeit als Paartherapeutin anfangen, Spezialgebiet: narzisstisch bedingte Zwangshandlungen des männlichen Partners. Trotzdem hätten sich die Grünen keinen besseren Kandidaten wünschen können als den, der sie einst in Düsseldorf so gequält hat.

Ein Wunschkandidat muss ja erst mal Positionen vertreten, die eine spätere Zusammenarbeit nicht von vornherein unmöglich machen. Was das angeht, ist Steinbrück, Beinfreiheit hin oder her, weitgehend auf das Programm der Programmpartei SPD festgelegt.

Die will beispielsweise die Steuern ungefähr genau so erhöhen, wie es die Grünen wollen. Steinbrück ist obendrein ein Garant dafür, dass das Ganze nicht ins Wahnhafte ausartet.

Andererseits darf solch ein Kandidat aus Sicht der Grünen auch keinen allzu grünen Wahlkampf machen, er könnte dann Wähler abziehen. Und Peer Steinbrück war zwar vor zwei Jahrzehnten mal Umwelt-Staatssekretär in Kiel, hat in der öffentlichen Wahrnehmung aber mit Ökologie so viel am Hut wie mit dem Ausbau der Breitband-Versorgung im ländlichen Raum.

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück
:Der Anti-Parteisoldat

"Die SPD, die mich aufstellt, muss erst noch erfunden werden": Damit lag Peer Steinbrück falsch. Der große Absturz fand nicht statt, die Sozialdemokraten legten unter seiner Führung sogar ein bisschen zu. Ein unkomplizierter Spitzenmann ist er für seine Partei trotzdem nicht gewesen.

Von Sebastian Gierke

Der ehemalige Umweltminister Gabriel wäre für die Grünen schon qua Lebenslauf gefährlicher gewesen, ebenso Fraktionschef Steinmeier, der qua Amt zu so ziemlich jedem Thema ziemlich viel sagen kann.

Bleibt die persönliche Ebene. Steinbrück kann arrogant, besserwisserisch, unbeherrscht sein. Es hat aber noch kein ernst zu nehmender Mensch behauptet, dass es die reine Freude sei, mit Sigmar Gabriel zusammenzuarbeiten. Und Frank-Walter Steinmeier war oberster Maschinist jenes Kanzlers Schröder, der das Verhältnis zwischen SPD und Grünen mit dem Spruch von Koch und Kellner umriss.

Als Schröder Anlauf aufs Kanzleramt nahm, gab es nach 16 Jahren Kohl eine Wechselstimmung. Die gibt es nach bislang sieben Jahren Merkel nicht im Ansatz, deshalb müssen sich die rot-grünen Wunschpartner schon jetzt auf Risiken einlassen. Der einstige Grünen-Fresser Steinbrück ist ein wandelnder Risikofaktor. Ihm ist aber als einzigem der vormaligen Bewerber ein gewisses Restpotenzial für politische Wunder zuzutrauen.

Ein Wunschkandidat sollte am Ende vor allem eines können: gewinnen. Durch alles andere müssen die Grünen jetzt durch. Zum Trost: Das geht nicht nur ihnen so.

© SZ vom 02.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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