Man kann Jürgen Trittin viel nachsagen. Aber Humor hat er. Auch in Augenblicken, die ihm wehtun. Besonders gut studieren konnte man das an einem dunklen, trüben Januarabend 2014. Wieder hatten die Grünen bei der Wahl nichts erreicht; wieder standen vier Jahre Opposition bevor. Und dazu war auch noch klar, dass nicht nur die Partei, sondern auch Trittin trübe Zeiten erwarteten. Wenige Wochen zuvor hatte die Bundestagsfraktion ihm seinen Chefposten genommen. Zu alt, zu erfolglos, zu streng - so hieß es.
Also stand Trittin an diesem ersten Abend der Fraktionsklausur in einer ungemütlichen Hotellobby in Weimar und sollte sich beim obligatorischen "fröhlichen Beisammensein" ein Lied aussuchen. Trittin wählte keine Schnulze und keinen Hip-Hop. Er entschied sich für die britische Punkrock-Band Clash und ihr wunderbares "Should I stay or should I go". Trittin schmunzelte; der Rest musste lachen. Bei all dem Mist schaffte es der Ex-Chef, seinen Leuten ein bisschen Spaß zu bereiten.
In der Partei wusste jeder über die innige Feindschaft der beiden Bescheid
"Should I stay or should I go" - die Frage dürfte in diesen Tagen auch für Cem Özdemir eine zentrale Rolle spielen. Vier Jahre nach Trittins Sturz widerfährt dem selbsternannten anatolischen Schwaben das Gleiche: Auch ihn will die Fraktion nicht an prominenter Stelle haben. Dass der 52-Jährige das kurz vor Beginn des Treffens erkannt und seinen Verzicht selbst erklärt hat, ändert an der Botschaft wenig: Wieder übergehen die Abgeordneten einen ihrer Besten. Was die Frage aufwirft, ob die Grünen sich einen solchen Personalwucher wirklich leisten können.
Spinnefeind, aber im Schicksal vereint - das hätten sich Trittin und Özdemir wahrscheinlich nie träumen lassen. Ausgerechnet so dastehen wie der andere; vor allem Özdemir könnte das Schmerzen bereiten. Und für Trittin wird es, ohne dass er es je zugeben dürfte, eine tiefe Genugtuung sein, Özdemir nun genauso leiden zu sehen wie sich selber. Es gab und gibt bei den Grünen kaum eine Beziehung, die von Anfang an so schlecht war und in der ein "Parteifreund" dem anderen das Scheitern so gewünscht haben dürfte. Sieht man mal ab vom Verhältnis Trittins zu Joschka Fischer. Gut möglich, dass das noch eine Nuance schlimmer gewesen ist. Zerstört und vergiftet aber waren beide Beziehungen.
Interessant ist deshalb die Frage, inwieweit Zorn und Abneigung am Ende beiden geschadet haben. Wie sehr kann so ein Konflikt auch einen selbst vergiften? Klar ist, dass beide auch in halböffentlichen Runden oft und kritisch übereinander gesprochen haben. Und klar ist auch, dass alle in der Partei eingeweiht waren. So wussten die Trittin-Freunde zu Zeiten seiner Regentschaft, dass Özdemir den Älteren nicht ertragen konnte. Und die Özdemir-Freunde waren im Bilde, wie aktiv Trittin war, wenn es darum ging, Özdemirs Kurs mit Initiativen, Interviews und kleinen Intrigen zu hintertreiben. Wahrscheinlich müssen beide noch viel gelassener werden, um sich das selbst einzugestehen.
Einer Lesart freilich stehen die beiden mit ihrem Schicksal gemeinsam entgegen: Dass bei den Grünen stets nur die Linken oder nur die Realos geopfert werden. Eine andere Regel dagegen scheint sich immer mehr durchzusetzen: dass es bei den Grünen eher die Guten trifft und nicht die Schlechten.