Auf de' schwäb'sche Eisebahne gibt's gar viele Haltstatione...": Mit der Gemütlichkeit und Behäbigkeit, in der das weithin bekannte Lied über die schwäbische Eisenbahn intoniert wird und im Hoch auf dieselbe ausklingt, ist es in deren modernster Version für das 21. Jahrhundert nicht mehr weit her.
Ganz im Gegenteil, das Großprojekt "Stuttgart 21" erregt Meinungsumfragen zufolge gut die Hälfte der Baden- Württemberger und allen voran die Stuttgarter Bürger so, als planten Politiker und sinistre Interessengruppen den Bau eines Atomendlagers mitten im städtischen Talkessel. Stuttgart 21: dabei geht es um ein zweiteiliges Großprojekt, dessen erste Wurzeln ins Jahr 1985 reichen. Der erste Teil des Projekts ist die Bahn- Schnellstrecke zwischen Wendlingen und Ulm, wo sich bis heute die Eisenbahnen mit Tempo 80 auf die Schwäbische Alb hinaufquälen. Im zweiten Teil soll der Stuttgarter Hauptbahnhof unter die Erde verlegt werden, wodurch hundert Hektar Gelände zur Neubebauung in der engen Innenstadt frei würden.
Nun ist es auch bei diesem Megavorhaben von Bahn, Bund und Landesregierung nicht anders als bei anderen Verkehrs-Großprojekten auch. Ob Flughäfen um eine weitere Startbahn ausgebaut oder eine neue Umgehungsautobahn geplant wird - flammende Bürgerproteste für den Erhalt des Bestehenden sind schon programmiert. Da nun in Stuttgart Anfang August die ersten Abrissarbeiten am Bahnhof geplant sind, es also ernst wird, eskalierte die letzte der Montagsdemonstrationen, die seit Monaten stattfinden. Jedenfalls war es für gesittet-schwäbische Verhältnisse durchaus eine Eskalation: Demonstranten besetzten einen Bahnhofsflügel, 55 von ihnen wurden wegen Hausfriedensbruchs angezeigt.
Ausgerechnet die Grünen
Einerseits mutet es etwas seltsam an, dass ausgerechnet das protestierende Aktionsbündnis unter tatkräftiger Unterstützung der Grünen gegen einen Ausbau des Schienenverkehrs zu Felde zieht, den sie doch sonst immer vehement fordern. Andererseits ist eines seiner Kernargumente gut nachzuvollziehen, dass nämlich das inzwischen auf sieben Milliarden Euro kalkulierte Prestigeprojekt weitere Investitionen in den nachhaltigen Verkehrswegeausbau verhindert, weil kein Geld mehr dafür da ist.
Apropos Kosten: die sind nun zum neuesten Aufreger geworden, seit Bahnchef und Ministerpräsident soeben erst die seit 2004 unveränderte Kostenschätzung nach oben korrigiert haben. Um 865 Millionen auf 2,86 Milliarden Euro soll sich die Neubaustrecke verteuern, dazu kommen noch weitere 4,1 Milliarden für die Bahnhofs-Tieferlegung. Es erschließt sich aber nicht so recht, was daran aufregenswert sein soll. Wer 2004 den Bau eines Eigenheims plant und dann erst 2010 zur Tat schreitet, der muss auch mehr hinblättern.
Die Kosten werden kleingerechnet
Das wirklich Aufregenswerte ist die miserable Öffentlichkeitsarbeit, mit der solche Großprojekte von der Politik und sonstigen Projektbeteiligten begleitet werden. Die erst fragenden und dann immer lauter klagenden Bürger werden als fortschrittsfeindliche Querulanten abgetan, die die Dimension des einzigartigen Vorhabens gar nicht ermessen könnten.
Leider werden die Kosten solcher Vorhaben regelmäßig so kleingerechnet, dass sie dann ohne größere Probleme durch die demokratischen Instanzen gepaukt werden können. Und leider explodieren dann die tatsächlichen Kosten fast immer so, dass dies die Befürchtungen der Gegner noch übertrifft.
Wenn Politiker dann auch noch, wie in Stuttgart, ein Gutachten, das auf künftige Schwachstellen und Kapazitätsengpässe des Verkehrs hinweist, zwei Jahre lang unter Verschluss halten, muss sich keiner über lauten und empörten Protest wundern. Solcher Protest wird meist weniger durch den Zweifel am Projekt, sondern durch den Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Befürworter gespeist.