Die Briten wählen am 12. Dezember ein neues Parlament. Ein entsprechender Antrag der Regierung wurde nach stundenlanger Debatte und trotz eines Gegenvorschlags von Labour mit großer Mehrheit angenommen. Die größte Oppositionspartei hatte drei Tage vorher wählen wollen, am 9. Dezember.
Noch am Montag hatte das Parlament dem Vorhaben von Premier Boris Johnson widersprochen. Nachdem aber sowohl die Schottische Nationalpartei sowie die Liberaldemokraten signalisiert hatten, dass sie für Neuwahlen stimmen würden, hatte Labour nachgezogen.
Man werde die "ehrgeizigste und radikalste Kampagne fahren", so Labour-Chef Jeremy Corbyn, die das Land je gesehen habe. Er wolle Neuwahlen nutzen, um das Land von einer "skrupellosen, nutzlosen Regierung zu befreien". Der Premierminister wiederum beschuldigte die Opposition in der Debatte über die Wahlen, die in sechs Wochen stattfinden sollen, den Brexit aufgehalten und das Land langfristig in Unsicherheit gestürzt zu haben. Beide Reden waren offensichtlich als Auftakt für einen Wahlkampf gedacht, der zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht formal beschlossen war. Die kommenden Tage sollen im Parlament nun nur noch zur Vorlage eines Budgets für Nordirland genutzt werden.
Labour hatte sich gegen Neuwahlen mit dem Argument gesperrt, man müsse warten, bis die Gefahr eines No Deal-Brexits endgültig ausgeräumt sei. Dies sei mit der formalen Bestätigung aus Brüssel geschehen, dass der 31. Oktober als Brexit-Termin vom Tisch und eine Verlängerung des Austrittsprozesses bis zum 31. Januar festgeschrieben sei.
Unklar war, ob Parlamentssprecher Bercow seinen Rücktritt aufschieben wird
EU-Chef-Unterhändler Michel Barnier reagierte auf die Nachricht von vorgezogenen Neuwahlen mit einem Appell: "Die EU-27 haben der Bitte des Vereinigten Königreichs entsprochen. Der Grund für diese Verschiebung ist vor allem, das faire und vernünftige Austrittsabkommen zu ratifizieren, auf das wir uns am 17. Oktober geeinigt haben." Er hoffe nun, so Barnier, dass dies auch umgesetzt werde, entweder vor oder direkt nach der Wahl im Vereinigten Königreich.
Tatsächlich aber hat Boris Johnson bereits angekündigt, dass die Regierung das Abkommen mit Brüssel vor dem Zusammentritt eines neuen Parlaments nicht mehr vorlegen werde. Damit dürfte eine mögliche Ratifizierung des Deals erst im neuen Jahr stattfinden. Die Tory-Regierung setzt darauf, dass bei der Wahl eine konservative Mehrheit für den vorliegenden Deal zustande kommt; derzeit fehlen ihr dazu im Unterhaus etwa zwei Dutzend Stimmen. In Umfragen liegt die Regierungspartei 12 bis 15 Prozentpunkte vor Labour. Die schlechten Umfragewerte für Oppositionschef Corbyn hatten bis zuletzt viele Labour-Abgeordnete zweifeln lassen, ob sie für Neuwahlen stimmen sollten.
Unklar war am Dienstag, ob der im Volk populäre, aber bei den Tories verhasste Parlamentssprecher John Bercow seinen Rücktritt aufschieben wird, der für diesen Donnerstag geplant war. Eigentlich sollte kommende Woche ein Nachfolger gewählt werden, aber das könnte wegen des Wahlkampfes und eines neu zu wählenden Unterhauses verschoben werden.