Großbritannien kritisiert China:Der aufrüttelnde Tod des Akmal Shaikh

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Er wollte "Komm, kleines Kaninchen" singen - und starb an einer Giftspritze im chinesischen Kerker. Nach dem Tod des womöglich geistig verwirrten britischen Drogenschmugglers Shaikh lädt sich der diplomatische Streit zwischen Peking und Großbritannien auf.

Gökalp Babayigit

Sämtliche Versuche waren vergeblich, Peking blieb bei der harten Linie und war nicht mehr umzustimmen: Den Briten Akmal Shaikh konnte nichts mehr retten. Der 53-Jährige wurde am Dienstagmorgen um 10.30 Uhr Ortszeit Opfer der chinesischen Justiz.

Tod durch die Giftspritze: der Brite Akmal Shaikh (Foto: Foto: AFP)

Mit einer Injektion wurde er getötet. Eine Giftspritze. Drogenschmuggel, so lautete die Anklage, für die er verurteilt worden war. Shaikh ist der erste Europäer seit 58 Jahren, an dem in China die Todesstrafe vollstreckt wurde. 1951 war Antonio Riva als bislang letzter Europäer hingerichtet worden - wegen eines Attentatversuchs auf Mao.

Keine Untersuchung vor der Exekution

Die Briten schäumen, hatte sich doch nicht nur der britische Premierminister Gordon Brown mit einem Gnadengesuch in den Fall eingeschaltet. Die "rasende Empörung", wie der Guardian schrieb, brach sich vor allem deshalb Bahn, weil die offensichtliche Geisteskrankheit von Shaikh im Prozess nicht berücksichtigt wurde.

"Besonders betroffen bin ich, dass keine Einschätzung des Geisteszustandes (des Verurteilten) unternommen wurde", ließ Premier Brown in einer Erklärung verbreiten. Nach Angaben seiner Familie leidet Shaikh unter einer bipolaren Störung, einer manisch-depressiven Erkrankung. Sie hatte eine umfassende psychologische Untersuchung gefordert.

Auch Shaikhs Anwalt erhob schwere Vorwürfe gegen die chinesischen Richter. Trotz mehrmaliger Bitten habe er seinen Mandanten nie treffen dürfen. Auch sei die Übersetzung für Shaikh nicht ausreichend gewesen. Der Prozess im Oktober 2008 hatte gerade mal eine halbe Stunde gedauert.

Für den Verteidiger und für die britische Gefangenenhilfsorganisation Reprieve ist der Fall indes klar: Shaikh sei von einer Bande Drogenschmugglern getäuscht worden. Seine Handlungen, so Reprieve, waren höchstwahrscheinlich von einer Art Psychose mit Wahnvorstellungen beeinflusst. Das Heroin (vier Kilo), das man bei ihm fand, sei ihm untergeschoben worden.

Für das Schmuggelvorhaben hätten ihn Freunde in Polen mit dem Versprechen angelockt, ihm zu einer Karriere als Sänger in China zu verhelfen, berichtet die Organisation. Shaikh habe ein Lied über den Weltfrieden geschrieben - in einem Nachtclub in China habe er damit auftreten sollen. Aus Kirgistan sei er über Tadschikistan nach Nordwestchina geflogen. Kurz vor dem Abflug habe ein Mitglied der Schmuggelbande ihm mitgeteilt, es gebe nur noch einen Sitz in der Maschine. Er komme mit dem nächsten Flug nach. Doch solle Shaikh schon mal den Koffer mitnehmen. Einen Koffer, in dem sich vier Kilogramm Heroin befanden.

Im Internet veröffentlichte Reprieve ein von Shaikh aufgenommenes Lied mit dem Titel Come Little Rabbit, mit dem der Brite in die Hitlisten kommen wollte. "Komm, kleines Kaninchen", sang der Getötete. Das traurige Schicksal einer verlorenen Seele.

Der 53-jährige, britische Staatsbürger Akmal Shaikh ist in China wegen Drogenschmuggels hingerichtet worden. Es war die erste Exekution eines Ausländers seit über 50 Jahren. Weitere Videos finden Sie hier

Viele Indizien auf psychische Krankheit

Es gibt viele Indizien, die auf die psychische Krankheit Shaikhs hinweisen - die aber vor Gericht kein Gehör fanden. China beharrte darauf, dass der Fall dem Gesetz entsprechend behandelt wurde. "Drogenschmuggel ist ein schweres Verbrechen. Die Rechte des Angeklagten sind vollauf gewahrt worden", erklärte eine Sprecherin des Außenministeriums vorige Woche.

Trotz internationaler Proteste werden in China, Thailand oder Singapur regelmäßig Menschen zum Tode verurteilt - darunter auch immer wieder Ausländer, meist wegen Drogendelikten. Das Urteil gegen Akmal Shaikh hat aber Potenzial, zu einer ausgewachsenen Krise zwischen China und Großbritannien zu werden.

Am Dienstag schickte das chinesische Außenamt wie zum Hohn eine Botschaft an London hinterher: Peking hoffe, dass die Hinrichtung des Briten die bilateralen Beziehungen nicht belaste. Und: London solle bitte schön keine "Hindernisse" für bessere Beziehungen aufbauen.

Auf Konfrontationskurs in der Causa Akmal Shaikh: Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao und der britische Premier Gordon Brown (Foto: Foto: AP)

Völlig unabhängig von den diplomatischen Scharmützeln der vergangenen Wochen kann man dieses Gerichtsurteil wohl nicht betrachten. Im Zuge des Klimagipfels in Kopenhagen waren es vor allem die Briten, die die neue Supermacht China wegen ihrer unnrühmlichen Rolle als Blockierer an den Pranger stellten. China habe gegen die Einigung bei der Reduzierung von Treibhausgasen sein Veto eingelegt und damit ein Abkommen verhindert, hatte Umweltminister Ed Miliband im Guardian geschrieben.

Die Mehrheit der Länder sei davon überzeugt gewesen, dass ein verbindlicher Vertrag nötig sei, um die Erde vor dem Klimawandel zu schützen: "Manche führenden Entwicklungsländer heißen das derzeit jedoch nicht gut." Internationale Verhandlungen dürften künftig nicht mehr den "Geiselnahmen" einiger weniger Länder zum Opfer fallen, hatte Miliband gefordert.

Die Chinesen reagierten damals verhalten. Sie haben die Worte der britischen Regierung aber offensichtlich nicht vergessen.

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