Das war ein historisches Wochenende für die Region am Persischen Golf und wohl auch für den gesamten Nahen Osten: In Iran hat das städtische Bürgertum Präsident Hassan Rohani mit einem beeindruckenden Wahlsieg zu einer zweiten Amtszeit verholfen. Diese Iraner hoffen nicht nur auf einen wirtschaftlichen Aufschwung, sondern auch auf eine gemäßigte Außenpolitik und mehr gesellschaftliche Freiheiten.
Auf der anderen Seite des Golfs tanzte US-Präsident Donald Trump mit dem saudischen König Salman den Schwertertanz und schloss Rüstungsverträge in nie gekanntem Umfang. Es war das Signal nach Teheran, dass die alte Allianz zwischen Washington und Riad wieder auflebt, die unter Trumps Vorgänger Obama brüchig geworden war.
In Iran hat die Vernunft über die Scharfmacher gesiegt - doch es ist kein Triumph der Reformer. Rohani ist ein Mann des Systems, ein Insider des Sicherheitsapparats, ein Moderater zwar, aber dennoch ein Konservativer. Es ist offen, wie weit er gewillt und in der Lage ist, die aggressive und auf Ausweitung des iranischen Einflusses gerichtete Außen- und Sicherheitspolitik zwischen Syrien und Afghanistan, Irak und Jemen zu mäßigen.
US-Präsident auf Weltreise:Trumps Charmeoffensive in Arabien
Der US-Präsident fädelt bei seinem Saudi-Arabien-Besuch Waffengeschäfte ein und findet Gefallen an modischen Details anderer Staatsoberhäupter.
Seine wirtschafts- und gesellschaftspolitische Agenda läuft auf eine Konfrontation mit den Hardlinern und dem Obersten Führer Ali Chamenei hinaus, die den Sicherheitsapparat, die Justiz und die Medien kontrollieren. In der Außen- und Sicherheitspolitik hat der Präsident nach der Logik des Systems wenig zu melden.
Gut möglich, dass seine Gegner im Regime das bald nutzen, um mit Provokationen ein Klima zu schaffen, in dem eine weitere Öffnung des Landes für Rohani trotz eines starken Mandats nicht mehr durchsetzbar ist. Sie haben wirtschaftliche und ideologische Interessen, die sie durch seinen Kurs gefährdet sehen. Rohani muss vorsichtig agieren, seinen Vorgänger, den Krawall-Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad, hat Chamenei in dessen zweiter Amtszeit kaltgestellt.
Alte Männer herrschen über junge Bevölkerung
Wirklich tiefgreifende Veränderungen wird es in Iran erst in der Zeit nach Chamenei geben, der im Juli 78 Jahre alt wird. Dabei braucht dieses Land dringend wirtschafts- und gesellschaftspolitische Reformen und eine der Welt zugewandte Außenpolitik, um den Ambitionen seiner jungen und gut ausgebildeten Bevölkerung gerecht zu werden.
Darin liegt eine interessante Parallele zu Saudi-Arabien: Auch dort haben über Jahrzehnte alte konservative Männer in einem zunehmend sklerotischen System über eine sehr junge Bevölkerung geherrscht, die offen ist gegenüber der Welt und wie die Iraner über das Internet mit ihr verbunden.
Beide Systeme, die Islamische Republik mit ihrer revolutionären Ideologie, wie auch der saudische Rentierstaat mit seiner absoluten Monarchie, sind massivem Veränderungsdruck ausgesetzt. In beiden Ländern wollen viele Menschen graduelle Reformen, aber keine revolutionären Umstürze. Und auf beiden Seiten des Golfs bremsen konservative und klerikale Eliten, denn sie sind Nutznießer der bisherigen Verhältnisse.
In Riad hat Königssohn Mohammed bin Salman einen weitreichenden Umbau des Landes angestoßen, den viele junge Saudis begrüßen, der aber auch auf Widerstände stößt. Das hat die Rücknahme der Gehaltskürzungen für die Staatsbediensteten gezeigt.
Europa muss eine Mittlerrolle einnehmen
Die Versuchung in der Region ist groß, auf Bedrohungen von außen in scharfer Form zu reagieren und damit einen Teil des Veränderungsdrucks zu kanalisieren und abzuleiten. So albern viele Iraner die "Tod-Amerika"-Rufe beim Freitagsgebet finden: Sie dienen der ideologischen Selbstvergewisserung mancher Teile der Gesellschaft und des Sicherheitsapparats, die ihren Machtanspruch anders nicht rechtfertigen können, gar obsolet würden.
Waren die USA unter Obama auf Ausgleich bedacht und vermieden es, sich in der politisch instrumentalisierten Auseinandersetzung zwischen Sunniten und Schiiten auf eine Seite zu schlagen, wollen Trump und seine Leute Iran isolieren und eindämmen.
Europa kann und muss in dieser Situation eine Mittlerrolle einnehmen, auch wenn ihm die harten Mittel der Macht fehlen, um wirklich Einfluss zu nehmen. Das Festhalten am Atomabkommen mit Iran gehört genauso dazu wie die Pflege der Beziehungen zu beiden Seiten des Golfs.
Saudi-Arabien und Iran sind schwierige Partner, aber unverzichtbar für die Lösung der Konflikte in der Region. Nur wer ernsthaft mit beiden Seiten redet, leistet einen glaubhaften Beitrag, die wachsende Gefahr einer Konfrontation zu bannen. Wenn das nicht gelingt, scheitert die Hoffnung der jungen Generation - in Iran wie in Saudi-Arabien.