Gillamoos: Steinbrück versus Guttenberg:Einer von den Stones gegen einen von der Boygroup

Lesezeit: 3 min

Auf dem Gillamoos bemühen sich Karl-Theodor zu Guttenberg und Peer Steinbrück, die Massen auf die Bierbänke zu bringen - jeder auf seine Weise.

B. Kruse und B. Vorsamer

Es dauert lange, bis CSU-Shooting-Star Karl-Theodor zu Guttenberg die mehr als 5000 Gäste so richtig in Bierzeltlaune geredet hat. Erst gegen Ende wächst die Stimmung im Hofbräu-Zelt, hier beim Gillamoos-Volksfest: Der Wirtschaftsminister spricht nun von christlichen Grundwerten, von Tradition und Familie. Der Applaus wird lauter.

Den Höhepunkt seiner Rede erreicht Guttenberg jedoch, als es um Integration geht. Wer die deutsche Sprache nicht lernen oder das deutsche Recht nicht leben wolle, der könne das Land auch wieder verlassen. Eine Meinung, die hier, auf dem Gillamoos-Volksfest, offenbar mehr interessiert als die Wirtschaftskrise.

Der Schweiß tropft Guttenberg bereits vom Gesicht, läuft ihm das Kinn herunter. Das graugestreifte Jackett ist am Rücken durchgeschwitzt, vom Hemd darunter ganz zu schweigen.

Doch der Wirtschaftsminister schwitzt lieber, als sich die Jacke auszuziehen. Vielleicht erinnert er sich an die Auszieh-Rufe von vor wenigen Wochen in München und will das an diesem Tag nicht wiederholen. Vielleicht kommt er auch einfach nicht dazu. Zu sehr ist er in seiner Rede versunken, zu sehr beschäftigt ihn die Wirtschaftskrise.

Die macht er zum Kern seiner Rede - wie bereits vor wenigen Wochen im Münchner Löwenbräukeller. Wie damals schimpft er auf die Bank-Manager, die Milliardensummen "verjubelt und verjuxt" hätten, und mit millionenschweren Bonuszahlungen dafür belohnt werden.

Es sei an der Zeit, auch über "Malus-Regelungen" zu sprechen, so sein Credo. Und wie schon damals ist auch auf dem Gillamoos der Applaus ordentlich - mehr aber auch nicht.

Auch Guttenbergs Familienanekdoten, die er gerne zum Besten gibt, kommen an. Von seinen vielen Vornamen ist die Rede, die er immer wieder den Menschen erklären müsse - und von seinen guten Umfragewerten, die er wiederum seiner Familie erklären muss. Auch das ist nicht neu im Repertoire des Franken. Aber die Leute hören es immer wieder gerne.

Vielleicht hat es so lange gedauert, die Massen auf die Bänke zu bringen, weil er den politischen Gegner äußerst glimpflich davonkommen lässt. Seine Kritik am Noch-Koalitionspartner SPD ähnelt mehr ein paar leichten Klapsen auf den Hinterkopf denn deutlicher Wahlkampf-Schelte.

Lediglich Altkanzler Gerhard Schröder geht er direkt an - wenn auch nicht zum ersten Mal in den letzten Wochen. Als "Gazprom-Diplomaten" bezeichnet er ihn und erntet Applaus vom Publikum. Doch das war's dann auch schon mit den Sticheleien: Die Leute hätten eben die "Schnauze voll" vom ewigen "Draufdreschen", sagt er.

Eine Devise, die auch der SPD-Politiker Peer Steinbrück im Jungbräu-Zelt gegenüber vertritt. Bis auf einen richtig derben Spruch: "Also, was Schönheit betrifft, da kann ich gegen den Guttenberg so lange nicht gewinnen, wie er den Mund hält. Aber wenn er den Mund aufmacht, dann können wir es gewinnen."

"Dort einer aus der Boygroup - und hier einer von den Stones"

Für den Preußen ist ein Bierzelt ungewohntes Terrain, "so was habe ich noch nie gesehen" ruft er.

Der ein oder andere Nord-Süd-Witz muss dann auch sein - "Da oben müsst ihr aufpassen, da verkaufen sie euch ein Grundstück bei Ebbe für das Doppelte vom Preis". Auch vor Namenswitzen macht man nicht Halt. "Da drüben spricht ein Mitglied der Boygroup, hier tritt einer von den Stones auf."

Davon abgesehen bleibt Steinbrück, der sich von Anfang an ohne Sakko und Krawatte hemdsärmelig gibt, meistens sachlich und arbeitet sich an den innenpolitischen Wahlkampfthemen ab: Bildung und Einwanderung, Arbeitsmarkt und - natürlich - Finanzkrise, Finanzkrise, Finanzkrise. Dass die das Wahlkampfthema schlechthin sind, da sind sich die beiden Minister Guttenberg und Steinbrück einig.

"Eine Milliarde ist inzwischen die kleinste Recheneinheit der Republik geworden, keiner weiß mehr, wie viele Nullen das Ding hat", sagt er - bevor er sich doch noch den politischen Gegner vorknöpft. "Als Null in Deutschland muss man sich eh rechts halten, wenn man was werden will."

Der Finanzminister weiß, wer im Publikum sitzt und was hier zieht. So bejubeln ihn die Sozialdemokraten und Gewerkschafter dafür, dass er Konzerne und Banken zur Verantwortung zieht und Steueroasen austrocknen will. Es wird auch klar, vor wem die SPD am Wahltag am meisten Angst hat: vor dem Nichtwähler. Immer wieder hält Steinbrück die Leute dazu an, am 27. September auf jeden Fall wählen zu gehen.

Die Kanzlerin wolle die Rückkehr zur Normalität, doch Normalität heißt laut Steinbrück, "dass sich der ganze Mist wiederholen kann". Der ganze Mist, das ist die Finanzkrise. Und Steinbrück will "nicht zurück auf Los und dann auf die Schlossallee rasen".

Dafür gibt es Beifall, doch euphorisch ist hier keiner - in Zeiten der Krise ist auch nicht die Zeit für Party. Oder doch? Während nach Steinbrücks Rede die SPD-Abgeordnete Johanna Werner-Muggendorfer eine Lotterie anpreist, bei der es ein rotes SPD-Bobbycar zu gewinnen gibt, wird im Hofbräu-Zelt heftig gerockt.

Eine AC/DC-Coverband steht auf der Bühne und die CSU-Veranstaltung wird zur Party: Kaum einer kann sich noch auf den Bänken halten. Und Guttenberg ist ganz vorne mit dabei: Stilecht im AC/DC-Shirt rockt er richtig ab, tanzt und klatscht. Jackett und Kravatte hat er ausgezogen - auf einmal wirkt er richtig entspannt.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: