Vor zwei Tagen hat die Polizei in Charlotte einen Schwarzen erschossen. Der Vorfall in der "University City", wie die Gegend genannt wird, löste gewaltsame Proteste aus, die nun die Schlagzeilen in den USA beherrschen.
Ich wuchs etwa eine Stunde entfernt von Charlotte auf. Eine Zeit lang arbeitete ich als Reporterin für den Charlotte Observer. Vor zwei Jahren kam ich für eine Recherche nach University City. Es war das erste Mal, dass ich in diese Gegend kam, eine jener armen Gegenden, in denen überwiegend Schwarze leben.
Meine Recherche führte mich in eine heruntergekommene Hochhaussiedlung. Ich sprach mit einigen Bewohnern, die sich mühten, die Miete für ihre schäbigen Ein-Zimmer-Wohnungen zusammenzukratzen. Für einige sah es nicht gut aus. Ihnen drohte die Obdachlosigkeit.
Eine schwarze Frau sagte mir, oft höre sie, wie vor ihrem Haus Schüsse fielen. "Warum rufen Sie nicht die Polizei?", fragte ich. "In meiner Situation kann ich das nicht. Ich will nicht noch mehr Ärger kriegen."
In Charlotte gibt es viel Wohlstand. Aber nicht für alle.
Charlotte ist in vielerlei Hinsicht typisch für eine Metropole im Süden der USA. Die Stadt hat mehr als eine Million Einwohner, und sie hat es geschafft, von der Landwirtschaft wegzukommen. Viele Unternehmen aus wachsenden Branchen ziehen nach Charlotte. Es gibt viele gut bezahlte Stellen.
In den vergangenen 15 Jahren ist Charlotte so zu einer der wohlhabendsten Städte der USA geworden. Es ist das Finanzzentrum des Südens, die Bank of America hat hier ihren Sitz, ebenso Duke Energy, ein 53 Milliarden Dollar schwerer Energiekonzern. Der Finanzdienstleister Wells Fargo ist hier ansässig. Mehr als 40 Prozent der Einwohner hier haben einen College-Abschluss, 72 Prozent von ihnen haben Arbeit.
Doch der Riss zwischen Schwarzen und Weißen in Charlotte ist tief. Der Wohlstand hat die Gegenden im Westen und im Nordosten der Stadt nicht erreicht. Dort wohnen mehrheitlich Schwarze.
"Im überwiegend weißen Süden sieht man kaum, dass Polizisten Menschen zwingen würden, sich mit erhobenen Händen vor Autos zu stellen und sie nach Drogen durchsuchen", schreibt Heather Ann Thomas, eine Historikerin aus Charlotte. In den schwarzen und armen Stadtteilen aber trete die Polizei zunehmend aggressiv auf. Ein Verhalten, das in letzter Konsequenz auch in Charlotte dazu führte, dass Menschen von der Polizei getötet werden.
31 Prozent der von der Polizei Getöteten sind Schwarze
Eine Studie der Universität North Carolina zufolge sind 35 Prozent der Bewohner Charlottes schwarz. Von den Menschen, die zwischen 2002 und 2013 von der Polizei kontrolliert wurden, waren aber fast die Hälfte Schwarze.
Polizeigewalt gegen Schwarze ist kein Problem, das es nur in Charlotte gibt. 31 Prozent der Menschen, die in den USA von der Polizei getötet werden, sind Schwarze, obwohl einer Analyse von FBI-Daten zufolge ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung nur bei 13 Prozent liegt.
In einer Stadt wie dieser, in der Weiße in besseren Gegenden leben, bessere Schulen besuchen und ohne Angst vor der Polizei auf die Straße gehen können, sind die aktuellen Ausschreitungen keine Überraschung. Selbst wenn der Mann, der vor zwei Tagen Keith L. Scott erschoss, selbst Afroamerikaner ist.
Übersetzung: Benedikt Peters
Claire Williams arbeitet als Wirtschaftsreporterin bei der Arkansas Democrat-Gazette . Sie wuchs in der Nähe von Charlotte, North Carolina, auf und ist derzeit im Rahmen der Arthur F. Burns fellowship als Gastredakteurin bei der Süddeutschen Zeitung .