Zwangsheirat, Kinderehe, Polygamie - seit Jahren kommt immer mal wieder der Verdacht auf, das deutsche Recht gehe zu lax mit Ausländern um, die, verheiratet nach den Regeln ihrer Herkunftsländer, nach Deutschland kommen. Nun hat Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) in der Bild angekündigt, klare Grenzen zu ziehen: "Zwangsehen dürfen wir nicht dulden, erst recht nicht, wenn minderjährige Mädchen betroffen sind." Auch die Polygamie dürfe hier keinen Platz finden: "Deshalb dürfen in Deutschland keine Mehrfach-Ehen anerkannt werden."
Was die Praxis der Zweit-, Dritt- und Viertfrauen angeht - ein weltweit einigermaßen verbreitetes Phänomen -, sind die hiesigen Gesetze zwar keineswegs lax. Die Doppelehe ist strafbar, und eine Anerkennung ausländischer Mehrfachehen verstößt gegen den "ordre public", also gegen wesentliche Rechtsgrundsätze. Die Mitversicherung diverser Ehefrauen in der Krankenkasse des Mannes oder ein Familiennachzug der kompletten Riege der Gattinnen sind nicht möglich.
Mehrere Ehefrauen haben einen gemeinsamen Anspruch auf Witwenrente
Andererseits geht das deutsche Recht pragmatisch mit der Tatsache um, dass andere Staaten die Vielehe erlauben - und zwar dort, wo es allein um die Rechte der Betroffenen geht. Aus solchen Ehen können Unterhalts- oder Erbansprüche folgen. Und Paragraf 34 Sozialgesetzbuch 1 regelt sogar ausdrücklich, dass mehrere Ehefrauen gemeinsam Anspruch auf eine Witwenrente haben können - die sie sich dann freilich teilen müssen.
Wollte man solche Ansprüche streichen, "dann geht das auf Kosten der betroffenen Frauen", sagt der Erlanger Rechtsprofessor Mathias Rohe, ein ausgewiesener Fachmann für die Stellung des Islam in Deutschland. "Man würde ihnen das wegnehmen, worauf sie vertrauen."
Oft sind im Ausland geschlossene Mehrfach-Ehen für Behörden nicht auf den ersten Blick erkennbar. Etwa der Fall von Imam Abu Adam, der mit zehn Kindern und seinen drei Frauen in einer Wohnung in München bis zum Jahr 2011 zusammenlebte. Mit einer war er nach deutschem Recht verheiratet, mit zweien nach islamischem. Die Familienkonstellation des ehemaligen Predigers der Darul-Quran-Moschee wurde nur deswegen bekannt, weil seine Drittfrau, eine gebürtige Syrerin, ihn beschuldigt hatte, sie körperlich zu misshandeln.
Abu Adam saß knapp drei Monate in Untersuchungshaft, bis die Frau ihre Aussage widerrief. Als sie sich wegen falscher Verdächtigung vor Gericht verantworten musste, kam sie in Haft: Weil sie sich als strenggläubige Muslima geweigert hatte, vor Gericht ihre Gesichtsverschleierung abzunehmen.